Archiv für den Monat: April 2014

Tag 34. Bourg-Saint-Andéol

Ich habe heute frei. Das nutze ich, um
mir das Städtchen anzusehen. Es ist ein Markt im Gange, wo ich mir einen kleinen Käse kaufe.

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Eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Ganz niedlich dieser Ort, aber schnell durchwandert.

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Mittags Baguette und Käse, mit Orangina.

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Dazu eine Frankfurter Allgemeine in der ich über akrobatische Spinnen lesen musste.

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Alles in allem kein spannender Tag, aber das ist ja auch mal ganz gut. Nachher koche ich noch und öle das Fahrrad. Es stürmt nach wie vor und die versprochene Sonne kommt mal mehr, mal weniger.
Ich koche also, wiedermal ein gourmet-artiges Gourmand Gelage mit drei fantastischen Gängen. Der Norweger von nebenan geht an mir vorbei, als ich gerade mein Hacksteak brate. Ich bin sicher, dass das, was er mit seiner Frau gerade gegessen hat (er hat den Abwasch in der Hand), nicht im aller entferntesten so lecker ist, wie mein spirituskocher-perfektesDinner-dreiSterne-zauberMenü. Also, wenn es ein “Das perfekte Camping Dinner” gäbe, wäre ich der Held. Nur das mit der Deko klappt noch nicht so. Aber da habe ich auch zu Hause Defizite. Obwohl ich das richtige Equipment ja schon habe, aber bei der Vererbung dieser Talente war ich wohl gerade im hinteren Teil der Eizelle beschäftigt. Es schmeckt wie gesagt ganz wunderbar, in Windeseile habe ich alles verputzt – eine rhetorische Meisterleistung, um zum Abwasch überzuleiten, zu dem ich mich jetzt nämlich auf den Weg mache. Immer wenn ich mal abwasche, sind immer nur Männer da. Man versucht, sich nicht gegenseitig auf den Abwasch zu starren und jeder will den anderen übertrumpfen in der Menge des Wassers, dass man ja ach so umweltbewusst spart. Ich bin hier der Wasser sparende Abwaschking, mit meinen beiden Töpfchen und der sog. Pfanne. Nach drei Minuten gehe ich siegesgewiss zum Zelt zurück, begleitet von vielen neidischen Blicken von Abwaschenden, die offensichtlich alle eine mindestens 10-köpfige Familie haben. Ach ja, das Camping-Leben.

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Und weil Eigenlob ja bekanntlich stinkt, rieche ich jetzt auch wie ein gebratenes Hacksteak. Immerhin hat das die Mücken fern gehalten, ob das jetzt für oder gegen das Hacksteak spricht, weiß ich beim besten Willen nicht. Vielleicht sollte ich jetzt immer abends ein schönes Hacksteak braten…

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Tag 33. Beauchastel – Bourg Saint Andéol

Aufstehen. Frühstücken. Zelt zusammenpacken. Ameisen und Spinnen loswerden. Vor allem aber die Schnecken. In allen Größen kleben sie am Zelt, an der Außenseite, Innenseite, am Kocher, auf der Zeltunterlage. Ich kann mittlerweile ziemlich gut Tiere wegschnipsen. So auch die Schnecken, die ich mit einem Schnipser gute 10cm weiter weg schnipse. Es tut mir ein wenig leid, dass ich sie damit quasi entwurzele und in Welten schicke, in der nie eine Schnecke vorher war. Vielleicht finden sie aber auch nach ein oder zwei Wochen wieder nach Hause… Nach gefühlten 100 Schnecken-Schnipsern bin ich guten Mutes, dass ich alle erwischt habe und es kann losgehen.
Der Wind bläst aus Nord-Ost, und ich fahre locker entspannt mit 30kmh nach Süd-West. Es geht auf der “Via rhôna” an der Rhône entlang. Eine wirklich schöne Strecke. Ich schaffe die ersten 50km in knappen zweieinhalb Stunden und entschließe mich zu einer ausgiebigen Pause.

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Vier ältere Herren auf Rennrädern in schicken Trikots kommen vorbei, von denen der eine fröhlich “bon appetit” ruft. Mein Bissen Brot und das zurechtgelegte “bonnschuur” streiten sich, wer zuerst gewollter- oder ungewollterweise meinen Mund verlässt, so dass ich mich verschlucke und nun auch noch ein gequältes “Merci” an den beiden ersteren vorbeiquetsche. Ist das überhaupt die richtige Antwort? Immerhin bin ich in Frankreich, wo man ja bekanntlich wie Gott isst. Sollte ich also “halleluja” antworten oder sogar “amen”? Ich habe keinen Schimmer, verstanden hat er mich im Vorbeifahren sowieso nicht. Der Bissen Brot, zugegebenermaßen ein zu großer, ich neige ja wie schonmal erwähnt zum Schlingen, ist mittlerweile, zwar verspätet, aber triumphaler Sieger des Streits und fällt mir fast aus dem Mund. Glücklicherweise bin ich jetzt wieder alleine…
Ich hab noch 20km vor mir, der Wind ist mein Freund.

Im Supermarkt:
Ich gucke mir alles ganz genau an und durchstreife jeden Gang, auch den Tierfuttergang. Ich überlege bei allen Sachen, ob ich sie nicht brauchen könnte. Fatalerweise habe ich mich hierher begeben, bevor ich etwas gegessen habe. Das hat jetzt nichts mit dem Tierfuttergang zu tun, nur so allgemein. Eine Frau neben mir im Reis-und-Nudeln-Gang summt leise vor sich hin. Beim zweiten Hinhören erkenne ich, dass sie die Supermarkt-Musik mitdudelt, und nicht, wie ich zuerst gedacht habe, ihre persönliche Glücksmelodie. Zielsicher liegt sie immer einen Ton zurück und daneben. Ich sollte hier aber nicht so tönen, schließlich hab ich heute auf dem Fahrrad auch laut ABBA mitgesungen, während ich davon geträumt habe, dass es ein ABBA Konzert gibt, mit mir in der ersten Reihe. Oder überhaupt in irgendeiner Reihe. Ich packe meinen Korb weiter voll. Der scheint einfach keinen Boden zu haben. Versteh ich gar nicht… Aber ich kaufe und kaufe. Viele tolle Sachen, schließlich bleibe ich morgen hier. Die Logik ist mir zugegebenermaßen selber nicht ganz klar, aber im Supermarkt fand ich das überaus sinnvoll. Jetzt ist meine Fahrradtasche übervoll, so dass ich wohl oder übel morgen richtig viel essen muss :-) .

Später am Abend:
Ich hab mir ein richtiges Essen gemacht! Ich bin so toll!

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Und noch:

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Tag 32. Condrieu – Beauchastel

Heute habe ich eine lange Strecke vor mir. Ich stehe daher etwas früher auf. Die Sonne will nicht so recht und ich eigentlich auch nicht. Beim Frühstück überlege ich mir, was ich kaufen muss.
Brot, Käse, Milch, Kekse. Mechanisch esse ich mein Müsli und die vier Worte werden zu einem Mantra, damit ich sie im Supermarkt nachher nicht vergesse. Brot-Käse-Milch-Kekse. Das ist wichtig, denn ich kaufe alles mögliche, nur nicht das, was ich wirklich brauche. Auf dem Weg zur Toilette: Brot-Käse-Milch-Kekse. Wieder am Zelt habe ich gedankliche Aussetzer. Ich starre auf meine kleine weiße Mülltüte. Aus dem Brot-Käse-Milch-Kekse-Mantra wird ein Brot-Käse-Müll-Kekse-Mantra. Ich raffe mich und den Rest der Sachen zusammen und fahre los.

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Ich mache Pause an der Rhône. Vor mir ist offenbar ein Ameisenbau. Sie haben eine Haferflocke von meinem Brot gefunden und schieben sie auf ihren Eingang zu, den ich bedenklich klein finde. Und richtig, die Haferflocke verstopft den Eingang komplett. Spannend ist das zu beobachten. Ich lege noch ein Stück Salami nach. Sofort rennen alle noch freien Ameisen hin da. Passt ja aber nun nicht mehr durch den Eingang. Tja, denke ich, die Tür ist zu, zu ist die Tür. Es sieht so aus, als würden alle Ameisen ratlos um die Salami herumstehen. Vielleicht fressen sie aber auch. Ich wende mich nun meinerseits dem Fressen zu und stelle fest, dass mein Brot wie eine Pizza schmeckt. Ist das nun schon bedenklich oder erfreulich? Ich entscheide mich für erfreulich. Die Ameisen haben tatsächlich die Haferflocke weggeschafft, sodass nun die Salami abtransportiert wird. Aus Nächstenliebe (man könnte es vielleicht auch Gehässigkeit nennen) lege ich ihnen noch ein ziemlich großes Stück Käse vor die Füße. Ich bin mir sicher das wird auch in kürzester Zeit verschwinden. Weiter geht es, nicht zu lange Pause machen.

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Endlich angekommen, dusche ich, finde den Platz hässlich und beginne zu kochen. Echte Spaghetti und eine Fertigsosse. Auf der Packung steht als Portionsangabe 70g pro Person. Hä?! Und was essen die Leute hier dazu?! Drei Baguettes und einen ganzen Fromage oder was? Beherzt nehme ich die ganzen 250g, natürlich nicht, ohne sie vorher in der Packung dreimal zu zerbrechen. Naja, ist vielleicht doch etwas zuviel, aber ich bin nicht gewillt etwas übrig zu lassen.

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Ach, ansonsten ist mir nicht viel passiert und mir fällt auch nichts ein, worüber ich noch schreiben könnte. Ich habe in den letzten Tagen mit kaum jemandem gesprochen, es hat viel geregnet und ich stumpfe gerade etwas ab. Also, jetzt essen und dann ins Zelt, der nächste Regen kündigt sich an. Es geht mir aber gut und jetzt werde ich höchstwahrscheinlich auch gleich ziemlich satt sein…

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Ha! Also ich fand es reichlich viel. Die letzten Hapse sind offenbar zu groß, ich fühle deutlich, wie sie sich sehr bemüht die Speiseröhre runterquälen. Jetzt noch abwaschen. Es fängt an zu regnen und ich bin sehr versucht, den Topf einfach im Regen stehen zu lassen. Aber ich laufe Gefahr, morgen dann einen Topf mit Ameisen da stehen zu haben und mit solchen Geschichten habe ich schon früher unliebsame Erfahrungen gemacht. Also los zum Sanitärblock. Auf dem Rückweg regnet es stärker und ich fange an zu laufen. Mit jedem Schritt sacken die Spaghetti tiefer in meine Beine und Füße. Ich eiere recht schwerfällig zum Zelt. Jetzt rein da, aber Platz für ein Mars ist nachher auf jeden Fall noch!

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Tag 31. Condrieu

Morgens scheint doch wirklich die Sonne. Obwohl meine Wetter App Wolken anzeigt. Jaja, die Technik. Ich beschließe mir einen Supermarkt zu suchen, einkaufen ist schließlich immer gut und hebt die Stimmung. Ich fahre also in das Städtchen Condrieu. Erstmal eine Zeitung kaufen. Leider keine Presse étrangère, also nur auf französisch. Ist ja mittlerweile meine zweite Muttersprache, also ein Klacks. Dann stelle ich fest dass der Supermarkt “Casino” dicht ist. Zurück zum Fahrrad, dass ich mal wieder mit allem gesichert habe, was ich hab. Mein Helm schaukelt beschwingt in meiner Hand, als mich an selbiger etwas kitzelt. Wieder so ein Käfer, die, eben noch das blühende, eifrig krabbelnde Leben, sich bei Bedrohung sofort tot stellen und alle Beine und Fühler einziehen. Aufgrund meiner überragenden Intelligenz lasse ich mich davon jedoch nicht täuschen und schnipse, natürlich vorsichtig, lebenserhaltend und dadurch äußerst nachhaltig, das Tierchen weg. Alles kein Problem für mich. Allerdings ein Problem ist die Spinne, die ich wohlgemerkt in! meinem Helm entdecke. Dort hat sie sich ein schönes Nest gebastelt, regengeschützt und flauschig.

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An meinem Hinterkopf. Nahe des Nackens. Und ich habe das erst bemerkt, nachdem! ich schon gefahren bin. Ich bleibe nicht verschont, scheint mir. Vielleicht ist das eine Art Phobie-Therapie. Was wohl noch alles kommt.

Ich suche weiter nach einem Supermarkt. Ich finde einen Carrefour, der just zumacht. Milch kann ich auch morgen kaufen. Huch, es ist ja schon Mittagszeit. Also 6km weiter ins Nachbardorf, wo es McDonald’s gibt. Hier setzte ich mich in den Designerstuhl oder was auch immer und kämpfe mich durch die “Le Monde”.

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Ich verbringe glückliche Stunden hier und mache mich gegen zwei wieder auf den Heimweg. Es sollte schon längst regnen, tut es aber nicht. Statt dessen scheint frech die Sonne. Zu Hause lege ich mich zusammen mit einigen Ameisen auf meine blaue Matte und lese und denke etwas nach. Es tröpfelt nun ab und zu, aber das stört uns nicht. Condrieu ist klein, mit kleinen Gassen, aber nicht wirklich hübsch, finde ich. Insgesamt ist das Rhône Tal eher wie das Rhein Tal und die Mosel. Auch hier fährt eine laute Bahn und die Autos. Die Rhône ist äußerst selten befahren, es gibt nicht viel zu gucken. Hänge mit Wein, der schon etwas weiter ist, als an der Mosel und Dörfer, die genauso mit Weinlokalen werben, nur dass sie hier “Cave” heißen. Ich habe allerdings meinen ersten Feigenbaum gesehen. Jetzt esse ich Abendbrot und verziehe mich gleich ins Zelt, denn es sieht dunkelgrau aus draußen, wo eben gerade noch überall blauer Himmel war.

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Tag 30. Villars-les-Dombes – Condrieu

Guten Morgen!
Beim Frühstück kommt doch tatsächlich eine Katze auf mich zugelaufen! Ich kann mein Glück kaum fassen. Wir hatten uns schon gestern kennengelernt, als ich das Zelt aufbaute. Flauschig, rot gestreift. heute eher nass, rot gestreift. Dankbar will ich sie begrüßen, aber ich werde komplett ignoriert. Statt dessen streift sie durch meine Frühstückssachen, wo ich sie beleidigt wegscheuche. Sie dreht sich um, zeigt mir den Katzenpopo, schüttelt sich kurz und pinkelt mir doch tatsächlich, im weggehen (ich dachte immer Katzen müssen sich dafür hinsetzen. Ich hab wohl keine Ahnung von der Welt, ich naiver Einfaltspinsel) vor die Füße. Also, deutlicher geht’s ja wohl nicht. Ich habe dieses Mal einfach kein Glück mit Katzen. Wie auch immer, los geht es. Ich habe eine lange Strecke mit Steigung vor mir. Ich bin jetzt in den “Rhône Alpes”. Ich muss außerdem um Lyon herum und noch ein Stück weiter.
Bei Lyon fahre ich geradewegs in Richtung Flughafen, den St. Exupéry Flughafen. Da werden unliebsame Erinnerungen an den Französischunterricht wach. Es gibt dort draußen sicherlich viele Menschen die “le Petit Prince” (der kleine Prinz) ganz wundervoll finden. Ich gehöre nicht dazu. Ich hab es auch nie verstanden, was das mit der Rose soll und überhaupt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich es drei mal lesen musste – ich habe aber nur sehr vage Erinnerungen an das Buch, was ja schon, nach den besagten drei Malen, einiges aussagt. Immerhin habe ich aus diesem Buch etwas gelernt. Nämlich zwei französische Wörter. “Le baobab” – der Affenbrotbaum, und “apprivoiser”, was “zähmen” bedeutet. Ich bin mir sicher, dass diese beiden Wörter mir irgendwann einmal das Leben retten werden, obwohl ich mir keine Zusammenhang vorstellen kann, in dem beide verwendet werden. Wie auch immer, diese Geschichte kennt der eine oder die andere schon, aber jetzt wo ich in dem zugehörigen Land und dann auch noch bei dem zugehörigen Flughafen bin …
Vertrauensvoll fahre ich, wo das Navi mich hinhaben will, aber mich beschleichen Zweifel. Bin ich doch schon fast auf der Autobahn… Kurz vorher lenkt mich das Navi hier hin:

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Ach, wie wunderbar. Selbst wenn ich gar kein französisch könnte, wäre mir irgendwie klar, dass hier eigentlich kein durchkommen ist. Ich schiebe also das Gitter weg und tauche unter dem lustig rot weiß gestreiften Band durch. Ich schiebe lieber…
Auch das überstehen wir, mein Fahrrad und ich. Weiter geht es hoch und runter.

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Irgendwann vor allem runter, und zwar nicht zu knapp. Auch hier schiebe ich lieber. Oder vielmehr, schiebt mich mein Rad. Sieht hier nicht so steil aus, aber wenn man so davor steht, geht es schnell weit runter.

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Ich gucke auf mein Navi (wir haben uns wieder versöhnt) und sehe, dass das hier nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Irgendwann muss ich die Höhenmeter ja noch abfahren… Ängstlich gucke ich um jede Kurve und erwarte eine Steigung. Jetzt müsste ich laut Navi da sein … Und da ist sie, die nahezu unüberwindliche Steilwand. Ganz plötzlich, als wäre nie woanders gewesen. Ich schlucke. Ich suche mir auf meinem iPhone meinen Powersong raus und frage mich, ob ich nicht eher eine ganze Powersong playlist bräuchte… Egal jetzt. Musik an und losgetreten. Sofort umspült mich die Musik und ich werde ansatzlos richtig wütend auf die Steilwand. Dich mach ich fertig. Mit stoischer Ruhe steigt der Weg stetig an, schließlich haben wir nur 200m und da müssen ja die ersten 100m der Steigung irgendwie Platz finden und nach der Hälfte ist klar, wer wen fertig gemacht hat. Die ganze Prozedur nochmal, schließlich bin ich zum Schwitzen hergekommen! (Naja, so ähnlich). Also schwitze ich. Und bin irgendwie nach oben gekommen. Jetzt geht es wieder runter. Ich ignoriere diese Sinnlosigkeit und schiebe wieder. Meine 30kg Gepäck hätten mich sonst gnadenlos mit 70kmh nach unten befördert. Der Weg runter scheint kein Ende zu nehmen. Und mit jedem Schritt, den mein Sattel in meine Hüfte drückt, bin ich froher und dankbarer, dass ich diesen Berg nicht hochfahren musste.
Jetzt sitze ich im Zelt – um es kurz zu machen, in einem Unwetter mit Sturmböen und Dauerregen. Gerade frage ich mich, ob mir das “Petit pain” (ein kleines Baguette) als Abendbrot wohl reicht. Ob da wohl ein Zusammenhang besteht zwischen der französischen Bezeichnung “pain” für eine in stangenform gepresste Weizenmehlmischung und dem englischen “pain” für “Schmerz”? Naja, honi soit qui mal y pense, wie wir alten Haudegen des Hosenbandordens ja so sagen. Wo kann ich eigentlich die Heizung hier anmachen?! Und wie lange kann ich es noch rauszögern, auf Klo zu gehen? Fragen über Fragen. Morgen habe ich frei, aber es soll regnen. Das Leben ist eben kein Ponyhof. Gute Nacht. Ach so ja, und hier nochmal die Rhône:

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Tag 29. Condal – Villars-Les-Dombes

Ich habe die Nacht mit einem gigantischen carmina burana Froschchor verbracht, dem allerdings der Chorleiter fehlte. Außerdem kam in der Nacht ein Wind auf, der natürlich gedreht hatte und jetzt seitlich auf mein Zelt pustete, obwohl ich beim Aufbau mindestens eine halbe Stunde damit zugebracht habe, das Zelt immer wieder in veränderter Position aber sowas von haargenau dem Wind auszurichten, dass sich die Hühner und Hähne sicher gedacht haben, dass Menschen ja wohl die hirnlosesten Idioten auf Gottes schöner Erde sein müssen. Das haben sie am sehr frühen Morgen auch allen kundgetan, die es hören konnten.
Nach einer Stunde auf dem Weg, merke ich, dass ich meiner Umgebung nicht mehr so viel Beachtung schenke, wie am Anfang. Ich weiß nicht warum, aber es ist auch keine spannenden Gegend. Wiesen, Felder, Dörfer. Ich gerate in einen Trott, in dem ich nur in Zuständen lebe. Hungrig, müde, Fahrrad fahrend, auf Klo müssen. Ankommen, Zelt aufbauen, duschen, kochen, lesen, schlafen. Mein Denken erlahmt irgendwie. In den letzten Tagen fühle ich mich einsamer als sonst und es nimmt mich auch mehr mit. Gehört auch dazu und wird sich auch wieder ändern. In diesem Zustandsleben liegt auch ein Reiz, sich um Grundlegendes zu kümmern und sonst um nichts. Aber richtig zufrieden bin ich damit auch nicht. Aber die Prioritäten verschieben sich. Kleines wird groß und umgekehrt. Auch eine interessante Erfahrung.
Ich strampele vor mich hin und denke an nichts. Ich höre Hörbuch und bin zufrieden damit. Es ist heute grau, aber es war der erste Morgen, an dem ich nicht gefroren habe. Ich komme durch Bourg-en-Bresse. Ein durchaus netter Ort, aber ich rolle nur so durch. Ich sehe allerdings ständig Pizza Läden und Pizza Schilder. Nach einer Weile kann ich nur noch an Pizza denken. Ja, ich bin berechenbar – und auch beeinflußbar :-)
Pause mache ich an einem Teich, in dem sich Fische tummeln. Nicht zum ersten mal bedauere ich es, keine Angel zu haben. Aber wohin damit und vor allem wohin mit den 27 Fischen, die ich vermutlich illegalerweise aus dem Teich gezogen hätte. Dafür Kekse oder Schokolade weglassen? Nee. Ich sitze auf meiner blauen billig-Isomatte, in die ich mich richtiggehend verliebt habe. Ein fröhliches hellblau, ich kann meine Füße reindrücken und am nächsten Tag die Abdrücke immernoch sehen. Das beruhigt. Ein paar Krümel von meinem Vollkorn-Pausenbrot kleben von nun an unlösbar an der einen Ecke. Vielleicht brauche ich sie nochmal… Außerdem bin ich nie alleine auf der Isomatte. Kleine Käfer, Ameisen und anderes Getier ist genauso vernarrt in die Matte wie ich. Eine weitere wunderbare Eigenschaft ist die der Feuchtigkeitsspeicherung. Wenn die Sonne scheint und ich mich auf die Matte lege, habe ich nach kürzester Zeit einen angenehmen Feuchtigkeitsfilm am Rücken, der mich so nie austrocknen lässt. Und das alles für 4,99.
ich schmeiße ein kleines Stück Brot in den Teich und beobachte gespannt, wie gar nichts passiert. Das Brot schwimmt in trägen Kreiseln an der Oberfläche, was mich ob der Schwere, mit der es in meinen Magen plumpst, irgendwie wundert. Die Fische ignorieren es komplett, obwohl es französisches Vollkornbrot ist. Naja, aber eben kein Baguette. Plötzlich scheint doch einer zu begreifen, dass Fisch das fressen kann und im Nu sind sehr viele kleine Fische an dem Brot dran. Ich freue mich, muss aber unwillkürlich an eine Szene aus einem James Bond Film mit Piranhas denken. Oder war es “die Tiefe”? Es blubbert und platscht und ich sehe das Stück Brot in der Tiefe verschwinden, wo es sich zweifelsohne mit dem Käse und der Wurst zu einem Gelage-artigen Festmahl vereint.

Ich komme endlich an, es ist bewölkt und stickig heiß. Finde ich super, denn eigentlich sollte es regnen. Aufbauen, duschen usw. Jetzt kochen. Der französische Brennspiritus hat nicht so viel Wumms, wie der deutsche. Es dauert also alles etwas länger… Ich sitze und starre. Der Brennspiritus funzelt sich endlich zu ungeahnten Höhen auf und da, endlich, löst sich ein kleines Bläschen aus dem Wasser. Der Grundstein zum Abendessen ist gelegt. Ich sitze und starre weiterhin. Auf meine Schuhe. Da plötzlich, eine Zecke. Auf meinem Schuh. Zecken finde ich nun fast noch schlimmer als Spinnen. Wie um es mir nochmal vor Augen zu führen, krabbelt auf dem anderen Schuh, auf den ich jetzt hektisch blicke, eine schwarze Spinne mit weißen Punkten. Obacht, denke ich, mit den Zecken ist nicht zu spaßen und schnipse sie angewidert von meinem Schuh, möglichst weit weg. Heldenhaft hatte ich ja nun die Spinne ignoriert – aber jetzt ist sie verschwunden. Etwa in meinen Schuh? Schon unter der Hose? Bereit sich unter meine Haut zu fressen? Ja, solche Geschichten hat man schon gehört! Mittlerweile kocht das Wasser und ich lasse die Spinne ihre vermutlichen Pläne, die Weltherrschaft an sich zu reißen, weiter verfolgen. Ich entleere die Knorr Fertigfutter Tüte, meine sorgsam gesparte, vorletzte, in das Wasser, das sofort erschrocken in eine Starre verfällt. Desgleichen ich dann auch wieder. Unterbrochen nur von regelmäßigen Blicken auf meine Schuhe. Irgendwie tut sich nichts mehr bei den Nudeln. Ein Verdacht beschleicht mich, und richtig, der Spiritus ist ausgebrannt. Das ging ja schnell. Ich fülle nach und entzünde den Brenner. Das Gras unter dem Kocher beginnt allerdings auch zu brennen, was jetzt so von mir eigentlich nicht gedacht war. Das Funzeln und Glühen wird eher schnell als langsam zu einem kleinen Feuer. Hektisch nehme ich den Kocher weg und registriere nur am Rand, dass natürlich der Löffel in den Nudeln versinkt. Ich nehme eine Wasserflasche und lösche den kleinen Brand. Als ob ich noch nie mit einem Spirituskocher gekocht hätte. Peinlich. Ich fische den Löffel wieder raus und übersehe wohl, dass Soße an meinen Händen klebt, denn wie von Zauberhand habe ich nun Soße an der Brille. Und an meinem Ärmel. Und auf der Hose. Was hab ich denn in zwei Sekunden alles mit meiner Soßenhand angefaßt?! Ich lecke die Finger ab und mir fällt zu spät ein, dass ich mir auch noch Spiritus über die Finger gegossen hatte. Bei der Gelegenheit merke ich aber, dass französischer Spiritus weniger bitter ist, als deutscher. Endlich kann ich aber essen. Die Nudeln sind etwas zu al dente, aber so ist das eben, wenn man nicht die Gelassenheit eines französischen Brennspiritus hat. Gute Nacht!

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Tag 28. Chaussin – Condal

Heute bin ich einen Monat unterwegs. Fühlt sich Ewigkeiten her an, dass ich über die Elbbrücken gefahren bin.

Als ich das Zelt zusammenpacke, muss ich sicherlich 10 Schnecken aller Art vom Außenzelt sammeln. Endlich bin ich damit fertig, drehe mich um und da ist schon wieder eine oben drauf. Wie ist die so schnell dahin gekommen?! Ich weiß jetzt auch, warum in Frankreich Schnecken und Frösche gegessen werden. Ist eben auch eine Möglichkeit, sich dieser Dinger zu entledigen. Frösche höre ich an dem nahe gelegenen Teich auch zu Hauf. Schade, dass sie das nicht auch mit Ameisen machen, denke ich. Die haben nämlich über Nacht die Herrschaft über mein Zelt übernommen. Naja, auch die Ameisen abgeschüttelt und los geht es.

Ich bin auf einem Campingplatz mit Bauernhof. Ganz alleine, mit ein paar Hühnern und mindestens drei Hähnen. Der Oberboss-Hahn jagt gerade seinen schwächlicheren Kollegen erfolgreich in der Gegend herum. Dieser meckert danach die ganze Zeit vor sich hin. Der Oberboss steht stolz da und kräht alle paar Minuten. Sein Kopf ruckt von einer Richtung in die andere und sein Hals wird auf einmal extrem lang. Man hat den Eindruck dass er seinen Kollegen schon wieder vergessen hat und jetzt sowas denkt wie “wo ist hier noch ein Hahn?! Wo? Den mach ich fertig! Den mach ich fertig! Der soll mal kommen!”. Derweil klingt der Unterlegene wie eine Magenverstimmung und zieht sich zurück. Auf einmal kräht der dritte Hahn, ganz in weiß. Sein krähen klingt allerdings so, als würde ihm jemand im letzten Drittel den Hals zudrücken. Der Oberboss reckt den Hals und kräht ebenfalls siegessicher. Sein kräftiger Hahnenbariton ist auf jeden fall durchdringend und in seiner Stimme ist kein Zittern zu hören. Er läuft über den Platz rüber zum weißen Hahn. Es kann hier nichts passieren denn der Weiße ist umzäunt. Aufgeregt laufen beide auf und ab und krähen sich an. Die Hühner vom Oberboss sind in Bewegungslosigkeit erstarrt und wissen offensichtlich nicht mehr, wie man pickt. Als der Oberboss gerade nicht guckt, rennt der Unterlegene wieder ins Bild bis zu einem Busch, hinter dem er ruckartig stehen bleibt. Es sieht eigentlich so aus, als würde er sich verstecken. Von da aus ruft er sicherlich unflätige Dinge zum Oberboss, der sich aber unbeeindruckt zeigt und statt dessen an meinem erste-Reihe Platz entlang läuft. Im vorbeistolzieren gurrt er etwas vor sich hin, was verdächtig nach “bonjour” klingt. Ich zeige mich aber nun ebenfalls unbeeindruckt und starre statt dessen in die andere Richtung, auf die Hühnerherde mir dem weißen Hahn. Hier sehe ich eine der Hennen gerade Vollgas geben, mitten im Lauf eine Vollbremsung machen und den Kopf von einer Seite zur anderen wiegen. Versteh einer die Hühner. Der Oberboss wird permanent von einigen Hennen belagert, von denen eine ihn immer wieder pickt. Entweder sie will sich einschmeicheln, ihn ärgern oder sie ist strohdoof. Er dankt es ihr, indem er ihr immer wieder auf den Kopf pickt. Aus dem Hintergrund, verdeckt hinter einem Steinhaufen, hat der Unterlegene offenbar sein Glück bei einer Henne probiert, man hört wildes geflatter und gegackere. Der Oberboss rennt sofort mit fliegenden Flügeln die ganzen hundert Meter bis hinter den Steinhaufen und ärgert sich sicherlich ordentlich, dass er nicht fliegen kann. Er versucht es aber trotzdem. Erfolglos. Ein Krähen, Flattern, Rennen und Hauen folgt, was ich aber nur hören kann. Die drei Oberboss-Hühner können sich ohne ihren Macho mal entspannen und lassen sich sofort einfach dahin plumpsen, wo sie gerade standen. Das Picken wird eingestellt und es wird, wie ich es auch tue, nur noch geglotzt. Ich bin mittlerweile eine Stunde hier und genieße das Hühner-Kino, aber keiner kommt, bei dem ich bezahlen könnte. Ich träume vor mich hin, als es mich unterm Shirt kribbelt. Nichtsahnend gucke ich mal rein da und sehe eine Spinne, die gerade meine Schulter hoch will. Hektisch schubse ich sie zielsicher in meinen BH. Dort kann ich sie nicht mehr finden, obwohl da eigentlich gar nicht mal viel Platz ist. Was soll’s denke ich und trinke weiter Tee. Hoffentlich gehen Hähne auch mal irgendwann ins Bett …
Fotos folgen, wenn das Internet mal wieder mitspielt…

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Tag 27. Chaussin

Schon gestern Abend habe ich beschlossen, einen Tag Pause zu machen. Es gibt hier einen Fluss und der Platz ist günstig.
Als ich morgens aufstehe (ich habe wirklich versucht länger zu schlafen), fasse ich einen schleimigen Schlabberglibber und stelle fest, dass ich den Schlafsack mit einer kleinen Nacktschnecke geteilt habe, was der Schnecke allerdings eher nicht so gut bekommen ist. Wie die in den Schlafsack kommen konnte, ist mir ein Rätsel. Ich habe sie jedenfalls offensichtlich in der Nacht liebevoll zerdrückt, was sie sich sicher anders vorgestellt hat. Konzeptlos packe ich an meinen Sachen rum und kasteie mich, indem ich erst Wäsche wasche und danach frühstücke. Wow, denke ich, ich bin so vernünftig und fleißig! Ich schmiere mein Brot für mittags, nachher wird richtig gekocht. Der Gedanke “vielleicht fahre ich noch schnell bei dem Intermarché vorbei”, schleicht sich in mein Bewusstsein. Ich habe eigentlich alles und mehr kann ich eh nicht transportieren, aber mein Konsumverhalten ist dominant. Gummibänder brauche ich unbedingt noch …
Ich komme am Fluss an und suche mir ein Schattenplätzchen, was mal gar nicht so einfach ist. Aber ich finde etwas. Ich teile den Platz mit Ameisen und Spinnen, aber wir sind in trauter Vielsamkeit glücklich miteinander. Ich habe mir gestern im Intermarché eine blaue Isomatte gekauft, über dessen Platz in meinem Gepäck ich mir sinnvollerweise erstmal keine Gedanken gemacht habe. Aber leicht ist sie. Ich rolle sie aus und aufgrund ihrer wahnwitzigen Dicke von immerhin 0,5cm fühle ich jeden Stein unter mir. Ich creme mich artig ein und schon streben Millionen kleiner weißer Pollen in spontan entbrannter Liebe zu mir (hier müsste wohl nochmal “zu mir” stehen, ich bin aber sparsam und nutze das “zu mir” nur einmal) und kleben sich glücklich an mir fest. Das ist nicht so schlimm, wirft doch der Baum über mir in schöner Regelmäßigkeit dicke Wassertropfen ab, um mir die Pollen wieder abzuwaschen. Sehr zuvorkommend und erfrischend. Nun also, mein erster richtiger Sonnentag. Wunderbar entspannend … Nach fünf Minuten in der Sonne liegen wird mir langweilig und ich vermisse meinen Vater, der immer mit Steinchen nach uns geworfen hat. Ich schätze, ihm war genauso schnell langweilig, wenn man eigentlich nur in der Sonne liegen sollte. Ich werde also mir Steinchen nach Ameisen, aber nach kurzer Zeit denke ich darüber nach, wie es wohl umgekehrt wäre und lasse das Werfen wieder. Statt dessen schreibe ich mal den Blog weiter, denke ich. Fotos folgen, wenn das Internet mal wieder mitspielt…

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Tag 26. Besançon – Chaussin

Ach, Hotelzimmer. Sobald ich die Möglichkeit habe, nutze ich alles was geht. Alle Steckdosen werden sofort belegt (eine Sache, die ich auch schätzen gelernt habe: Strom), die Toilette wird so häufig es geht frequentiert, auch bei nicht unbedingtem Bedürfnis. Großzügig natürlich auch das Klopapier abgerollt und automatisch in die Taschen gesteckt. Ich frage mich, wo ich überall Klopapier wiederfinde, wenn ich wieder zu Hause bin. Auch eine Möglichkeit, eine Art Tagebuch zu führen. “Ach, guck mal, das hier hab ich aus Besançon”. Und dies hier, das ist richtig gutes, das kommt von dem Campingplatz in Nancy. Das war ein Fest, da hab ich richtig zugelangt” usw.
Vielleicht sollte man eine Bewertung der Plätze nach Klopapier einführen. Für uns Camper ist das wichtig. Wenn man nicht gerade, so wie ich, 6-8 Rollen Klopapier mitführt, weil man ja sonst nicht weiß wohin mit dem ganzen Platz in den Fahrradtaschen.
Zurück zum Hotelzimmer. Ich nutze natürlich auch ausgiebig den Fernseher. Zuerst Iron man, danach Fluch der Karibik 2. Auf einmal kann ich viel länger wach bleiben, erstaunlich. Ich wollte schon langst was essen, aber komme weder gedanklich, noch motorisch von dem Gerät los.
In der Nacht ist es schrecklich heiß. Ich weiß gar nicht warum, bis mir morgens auffällt, dass ich die kleine elektrische Heizung auf Volldampf laufen lasse. Morgens muss ich das Fenster aufmachen, um zu prüfen, wie kalt es draußen ist – verrückt. Ich freue mich über den Spiegel im Bad, in dem ich sehen kann, wo genau meine Fahrradshirts an den Armen aufhören. Ebenso an den Beinen. Das wird lustig, wenn ich mal den Badeanzug anziehe…. Ich dusche ausgiebig und creme mich ein. Kann es etwa sein, dass meine gigantische 50ml Flasche creme schon leer ist? Ich pule den Deckel ab und schlage mir die Öffnung auf die Handfläche. Mit einem satten Geräusch saugt sie sich an der Hand fest. Das finde ich lustig. Als sie sich schmatzend wieder löst spritzt vornehmlich an den Spiegel der restliche Inhalt der Flasche. Hm. Bin ich etwa nach vier Wochen schon nicht mehr zivilisationsfähig? Artig wische ich die Creme von Spiegel ab, brauche ich schließlich noch.
Ja dann, los gehts. Ich bin froh, Besançon hinter mir zu lassen, einerseits weil ich große Städte nicht mehr mag und andererseits, weil die Stadt einfach potthässlich ist. Ich fahre an einem Kanal entlang, zweifelsohne ein “Canal du irgendwas”. Ab und zu kommt mir ein Radfahrer entgegen und wir sagen gegenseitig bonjour. Die Franzosen sagen ja nicht “bonngjur”, so wie ich, sondern eher ein “bongschuuchrrr”. Daran kann man sie von den Zugereisten unterscheiden. Auch das handelsübliche “Oui”, wo ich quasi “ui” nuschele, kommt bei den Franzosen eher dahin gehaucht her, als “Uuiihh” mit einem leichten Stoßseufzer am Ende. Also eigentlich ein einfaches Ausatmen des Wortes. Ich habe aber auch schon eine abgewandelte Form gehört, bei der das Ausatmen nach dem “uu” schon abgebrochen wird. Salopper wird auch gerne ein “Uähh” verwendet, wo das Seufzen oder Atmen gänzlich fehlt.
Ich komme auch hier, wie in Deutschland auch, an Menschen vorbei, die mich nur anstarren und sich geradezu erschrecken, wenn ich ihnen mein deutsches “bonngjur” hinwerfe. Nur die eine Katze, die starrt stur an mir vorbei … Auch deutsche Fahrradfahrer kommen mir entgegen, einfach zu erkennen durch deutsche Flaggen oder wenn sie einfach “hallo” rufen. Na, denke ich, seid ihr auch die ganze Strecke mit dem Rad von zu Hause losgefahren? Hochnäsig nehme ich an, dass nicht, denn ihr gepackt ist viel zu klein und überhaupt sehen die gar nicht so aus. Basta. Oder sie sind einfach gepäckmäßig schlauer als ich. Das tue ich aber großzügig ab.
Bald mache ich Pause, weil ich an der Bank einfach nicht vorbei fahren kann.

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Es ist schön warm, die Sonne scheint. Vögel zwitschern, Falter flattern, Fliegen summen. Ich beobachte sie. Die Fliegen lieben meine neonfarbene Regenhülle. Sie setzen sich darauf und es sieht so aus, als ob sie sich ständig über ein super Geschäft freuen, denn sie reiben sich permanent die Hände. Oder die Füße. Ein Zitronenfalter (ja das Zitronenfalterimperium scheint alt-römische Ausmaße zu haben) setzt sich auf mein Knie, breitet seine Flügel aus und sonnt sich. Ich beschließe Frieden und Freundschaft mit den Zitronenfaltern und zufrieden fliegt der Falter wieder davon. Ich starre gedankenverloren auf den Boden und merke nach kurzer zeit, dass mein Puls so kräftig klopft, dass mein Kopf mit ihm mitnickt. Alle kleinen Tiere, die sich verhängnisvollerweise unter mein Shirt verirren bleiben entweder am Rücken kleben oder ertrinken gleich, denn ich brate und schwitze in der Sonne. Mir haben zwar mal Leute gesagt dass es sinnvoll ist, etwas heißes zu trinken, wenn einem heiß ist, aber der quasi noch kochende Tee, den ich trinke, kühlt mich tatsächlich eher gar nicht ab. Überaus träge beschließe ich, weiterzufahren. Als ich aufstehe hinterlasse ich, eigentlich wie gestern, eine “Menina”-Form auf der Bank. Ich denke, ich werde wohl noch so 6 oder 7 Pausen machen, bis ich nach 30km am Ziel bin :-)

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Tag 25. Vesoul – Besançon

Heute keine Übersicht über die Tour. Mein Navi hat mich zwischendurch rausgeschmissen und ich musste die Tour neu planen.

In der Nacht hat es angefangen zu regnen und erst vor einer Stunde wieder aufgehört. Ich sitze im Zelt, habe aber abends schon einiges vorbereitet. Nur leider nicht, ob der Platz, zu dem ich wollte, offen ist. Ich rufe an, aber der Anruf kann nicht durchgestellt werden. Ich plane um. Es geht statt nach Émagny nach Besançon. Hier buche ich mir ein Zimmer im Ibis Budget Hotel. Es gibt laut Google keine Campingplätze in der Gegend und direkt zum nächsten Etappenziel zu fahren ist mir zu weit. Ich versuche so schnell wie möglich alles einzupacken, aber es wird natürlich trotzdem alles nass. Ist aber nicht so schlimm, ich freue mich auf das Hotel. Los geht’s im strömenden Regen. Heute mal wieder nicht so lustig, aber solche Tage gibt es eben auch. Irgendwann bin ich reichlich erledigt und brauche unbedingt eine Pause. Endlich finde ich eine Art Sitzgruppe in einem kleinen Dorf.

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Es ist zwar kalt, aber dafür trocken. Das ändere ich schnell, als ich mich hinsetze.

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Keine Ahnung, ob das jetzt Schweiss oder Regenwasser ist. Ich esse mein “Pausenbrot” und greife danach zu meinem momentanen Suchmittel:

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Schon wird die Welt bunt und klebrig und ich bin glücklich.

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Durch die Regentropfen auf meiner Brille starre ich in den Himmel und denke darüber nach, was ich in diesen fast vier Wochen alles schätzen gelernt habe. Heiß duschen, Klopapier, Asphalt, heißen Tee, meine Mütze, Menschen die freundlich zu mir sind, Küchenrolle, Lebewesen aller Art (außer Spinnen und Vögel, die erst Nachts anfangen zu zwitschern) – kurz, allerhand erstmal recht einfache Dinge. Ich bin begeistert von meinen Handtüchern – spezielle dünne supersaugfähige Dinger. Und natürlich von meiner Regenkleidung. Ich finde, ich sehe auch extrem cool darin aus.

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Irgendwann beginne ich meinen Po nicht mehr zu fühlen und nehme das als Anlass weiterzufahren. Nur noch schlappe 13km von den 66, die ich fahren muss. Nach so einer Pause kommen die Beine nur reichlich widerwillig wieder in die Gänge. Endlich komme ich im Hotel an und breite mich aus. Alles muss trocknen und ich nutze jeden Platz.

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Resümierend würde ich sagen, alle Kühe am Wegesrand haben mich genau beäugt, so wie ich sie auch. Mindestens vier Katzen sind in Todesangst vor mir geflohen. Eine andere hat sich so platt auf den Boden gelegt, dass sie den überfahrenen Fellhaufen auf der Straße alle Ehre gemacht hat, und noch eine ist mit einem Hechtsprung ins Feld gehüpft, wo ich ihre schwarzen Ohren noch gut sehen konnte. Ich habe sie aber in der Illusion gelassen, ich wüsste nun überhaupt nicht mehr, wo sie abgeblieben ist. Ich glaube ich habe einen Fuchs gesehen. Natürlich nur von hinten. Viele Pferde, die wohl auch nichts anderes machen, als sich zu bewegen, fressen und schlafen (mir werden hier Parallelen bewusst …). Menschen so gut wie gar nicht. Und zuletzt eine Welt, die durch die “Regentropfen auf Brille”-Perspektive manchmal ganz anders aussah. Sehr philosophisch. Und jetzt gucke ich Ironman 2 en francais.

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