Tag 30. Villars-les-Dombes – Condrieu

Guten Morgen!
Beim Frühstück kommt doch tatsächlich eine Katze auf mich zugelaufen! Ich kann mein Glück kaum fassen. Wir hatten uns schon gestern kennengelernt, als ich das Zelt aufbaute. Flauschig, rot gestreift. heute eher nass, rot gestreift. Dankbar will ich sie begrüßen, aber ich werde komplett ignoriert. Statt dessen streift sie durch meine Frühstückssachen, wo ich sie beleidigt wegscheuche. Sie dreht sich um, zeigt mir den Katzenpopo, schüttelt sich kurz und pinkelt mir doch tatsächlich, im weggehen (ich dachte immer Katzen müssen sich dafür hinsetzen. Ich hab wohl keine Ahnung von der Welt, ich naiver Einfaltspinsel) vor die Füße. Also, deutlicher geht’s ja wohl nicht. Ich habe dieses Mal einfach kein Glück mit Katzen. Wie auch immer, los geht es. Ich habe eine lange Strecke mit Steigung vor mir. Ich bin jetzt in den “Rhône Alpes”. Ich muss außerdem um Lyon herum und noch ein Stück weiter.
Bei Lyon fahre ich geradewegs in Richtung Flughafen, den St. Exupéry Flughafen. Da werden unliebsame Erinnerungen an den Französischunterricht wach. Es gibt dort draußen sicherlich viele Menschen die “le Petit Prince” (der kleine Prinz) ganz wundervoll finden. Ich gehöre nicht dazu. Ich hab es auch nie verstanden, was das mit der Rose soll und überhaupt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich es drei mal lesen musste – ich habe aber nur sehr vage Erinnerungen an das Buch, was ja schon, nach den besagten drei Malen, einiges aussagt. Immerhin habe ich aus diesem Buch etwas gelernt. Nämlich zwei französische Wörter. “Le baobab” – der Affenbrotbaum, und “apprivoiser”, was “zähmen” bedeutet. Ich bin mir sicher, dass diese beiden Wörter mir irgendwann einmal das Leben retten werden, obwohl ich mir keine Zusammenhang vorstellen kann, in dem beide verwendet werden. Wie auch immer, diese Geschichte kennt der eine oder die andere schon, aber jetzt wo ich in dem zugehörigen Land und dann auch noch bei dem zugehörigen Flughafen bin …
Vertrauensvoll fahre ich, wo das Navi mich hinhaben will, aber mich beschleichen Zweifel. Bin ich doch schon fast auf der Autobahn… Kurz vorher lenkt mich das Navi hier hin:

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Ach, wie wunderbar. Selbst wenn ich gar kein französisch könnte, wäre mir irgendwie klar, dass hier eigentlich kein durchkommen ist. Ich schiebe also das Gitter weg und tauche unter dem lustig rot weiß gestreiften Band durch. Ich schiebe lieber…
Auch das überstehen wir, mein Fahrrad und ich. Weiter geht es hoch und runter.

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Irgendwann vor allem runter, und zwar nicht zu knapp. Auch hier schiebe ich lieber. Oder vielmehr, schiebt mich mein Rad. Sieht hier nicht so steil aus, aber wenn man so davor steht, geht es schnell weit runter.

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Ich gucke auf mein Navi (wir haben uns wieder versöhnt) und sehe, dass das hier nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Irgendwann muss ich die Höhenmeter ja noch abfahren… Ängstlich gucke ich um jede Kurve und erwarte eine Steigung. Jetzt müsste ich laut Navi da sein … Und da ist sie, die nahezu unüberwindliche Steilwand. Ganz plötzlich, als wäre nie woanders gewesen. Ich schlucke. Ich suche mir auf meinem iPhone meinen Powersong raus und frage mich, ob ich nicht eher eine ganze Powersong playlist bräuchte… Egal jetzt. Musik an und losgetreten. Sofort umspült mich die Musik und ich werde ansatzlos richtig wütend auf die Steilwand. Dich mach ich fertig. Mit stoischer Ruhe steigt der Weg stetig an, schließlich haben wir nur 200m und da müssen ja die ersten 100m der Steigung irgendwie Platz finden und nach der Hälfte ist klar, wer wen fertig gemacht hat. Die ganze Prozedur nochmal, schließlich bin ich zum Schwitzen hergekommen! (Naja, so ähnlich). Also schwitze ich. Und bin irgendwie nach oben gekommen. Jetzt geht es wieder runter. Ich ignoriere diese Sinnlosigkeit und schiebe wieder. Meine 30kg Gepäck hätten mich sonst gnadenlos mit 70kmh nach unten befördert. Der Weg runter scheint kein Ende zu nehmen. Und mit jedem Schritt, den mein Sattel in meine Hüfte drückt, bin ich froher und dankbarer, dass ich diesen Berg nicht hochfahren musste.
Jetzt sitze ich im Zelt – um es kurz zu machen, in einem Unwetter mit Sturmböen und Dauerregen. Gerade frage ich mich, ob mir das “Petit pain” (ein kleines Baguette) als Abendbrot wohl reicht. Ob da wohl ein Zusammenhang besteht zwischen der französischen Bezeichnung “pain” für eine in stangenform gepresste Weizenmehlmischung und dem englischen “pain” für “Schmerz”? Naja, honi soit qui mal y pense, wie wir alten Haudegen des Hosenbandordens ja so sagen. Wo kann ich eigentlich die Heizung hier anmachen?! Und wie lange kann ich es noch rauszögern, auf Klo zu gehen? Fragen über Fragen. Morgen habe ich frei, aber es soll regnen. Das Leben ist eben kein Ponyhof. Gute Nacht. Ach so ja, und hier nochmal die Rhône:

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