Kategorie-Archiv: Tour

Tag 75. Benicàssim – Nules

Erstmal Brot kaufen. Ich bestelle mit wissendem Lächeln zwei “Kaiser”. Ebenfalls lächelnd packt sie mir zwei Baguettes in die Tüte. Das hatte ich mir eigentlich anders erhofft. Entweder die Kaiser Brötchen haben heute eine andere Form oder das mit der Verständigung war ein Pustekuchen. Egal. Heute also weiter. Es ist ziemlich warm und es weht kein Lüftchen. Aber es ist keine lange Strecke und ich fahre ein Stück auf einer der umgebauten alten Bahnstrecken, einer “via verde”. Hübsch.
Ich gondele also so vor mich hin. Vor mir ein Paar Holländer mit Elektrorädern. Die überhole ich mal locker. Ich gondele weiter. Anscheinend kann der Holländer es nicht auf sich sitzen lassen, von mir überholt worden zu sein, denn er setzt zum Überflug an. Seine Frau müht sich trotz Trittverstärkung ab, hinter ihm herzukommen. Ich bremse unbemerkt etwas ab, damit sein Ego nicht leidet. Als sie an mir vorbei sind, halte ich kurz an, bis ich seinen pfeifenden Atem nicht mehr hören kann. Also weiter. Jetzt überholt mich ein oberflächlich sportlich aussehender Mountainbike Fahrer. Aber nur mit Mühe. Am nächsten Berg hab ich ihn schnell wieder direkt vor mir. Hektisch blickt er sich um. Ja, denke ich, hättest du nicht gedacht was?! Na gut, ich schnaufe etwas und lasse mich zurückfallen. Ich bin einfach zu nett. Er tritt ordentlich los und ich hoffe, dass er das etwas durchhält.
Ich mache kurz Pause an der Hauptstraße, fahre aber schnell weiter als ich merke, dass die Hecke, an die ich mich angelehnt habe, voller Spinnennetze ist. Ich bin erstaunlich lange verschont geblieben, merke ich. Eigentlich warte ich angstvoll auf eine Riesenspinne, so wie die blaugraue, die wir als Kinder mal im Landhaus meiner Tante an der Wand entdeckt haben. Noch sind es aber nach wie vor nur Ameisen, die es auf dem Campingplatz, an dem ich nun ankomme, ebenfalls reichlich gibt. Diese hier sind irgendwie schneller als die anderen. Eine läuft über mein Bein und während ich sie noch versonnen beobachte, beißt sie einfach in meinen Oberschenkel. Kann man ja mal probieren, so ein lecker Stück Fleisch, aber als die nächste in meinen Fuß beißt wird mir klar, dass hier ein anderer Wind weht. Das, oder die Sonnencreme auf meinen Beinen ist für die Ameisen das, was eine kalte Cola für mich ist. Naja, Ameisenbisse sollen ja wohl gesund sein. Ich flüchte an den Strand und ins Wasser. Kein Mensch da. Auch auf dem Platz ist fast niemand. Genauso wie in den umliegenden Ortschaften, von denen die meisten Ferienorte sind. Fühlt sich an wie Sonntags in der City Nord. Gespenstisch.
Ich werde mir jetzt einen Supermarkt suchen. Dann dusch ich, dann schlaf ich, morgen verbrenn ich, und übermorgen stehle ich der Königin ihr Kind.
Äh, ach nee, da treffe ich Julia

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Tag 74. Benicàssim

Ich schlafe bis halb sieben durch und bin begeistert. Die Herrschaften hier sind alle sehr ruhig und das schon ab 23h. Ich bin froh und dankbar :-) . Außerdem hab ich ein Dach, was mir fast den ganzen Tag Schatten spendet. Allein dafür lohnen sich die 27 Euro am Tag. Man sagt sich guten Morgen. Außer mir, ich glaube die Wohnmobilisten sehen einfach einen leeren Platz, da wo mein Zelt steht. Naja, man muss ja auch ziemlich genau hingucken, um es zu finden. Mich stört das aber nicht. Meinem Bohrmaschinennachbarn sage ich aber artig guten Morgen. Langsam beginnt das Leben auf dem Platz. Neben mir wird die Harley rausgeholt und eine cruising Session rund um den Stellplatzblock wird eingelegt. Wenig später ist er schon wieder da. Die zweite Runde beginnt, diesmal mit Helm. Beim duschen unterhält man sich über das Wetter und Klimaanlagen. Ich gehe Brot kaufen. Es gibt auch Brötchen, von denen ich zwei bestelle und dabei die Bedienung frage, wie das Wort dafür ist. Sie sagt mehrere Stakkato Sätze, (glaube ich jedenfalls – ich kann keinen Punkt oder Komma irgendwo hineininterpretieren). Gerade, als ich mich frage, wann sie endlich wieder Luft holt, stoppt sie und guckt mich an. Oh. “Äh”, sage ich, weil ich mich erinnert hab, dass das in Frankreich immer sehr hilfreich war. Bis ich merke, dass sie das Wort “quaiser” mehrmals (fast schon verzweifelt, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen) wiederholt. Und ich verstehe. Das ist ein “Kaiser”-Brötchen. Ah, sage ich und sie wirkt sehr erleichtert. Ich kaufe noch ein rüstiges Baguette (Baguette “rustico”) – ich finde das sehr passend für diesen Campingplatz. Immerhin bin ich nicht nur das einzige Zelt, ich bin auch vermutlich die einzige unter vierzig (kann ich ja noch sagen!). Frühstück und ab an den Strand. Ich springe fast sofort ins Wasser. Der Strand ist schon recht voll. Alle Frauen im Tanga und oben ohne. Ich im prüden Badeanzug. Und ich wusste bis jetzt nicht, dass es auch Männertangas gibt. Oder gibt es die womöglich gar nicht?! Wie auch immer, ich ertrage die Sonne bis um drei, was es jetzt ist und muss jetzt was essen.
Gesagt getan.
Etwas später am Abend kommt eine Durchsage über Lautsprecher. Ich könnte heute Abend mein Glück beim Bingo im Restaurant versuchen. Was ich da wohl gewinnen könnte… Einen größeren Stellplatz für eine Nacht? Eine Rolle zehnlagiges Klopapier? (Ich bezweifle stark, dass ich die in meinen Rucksack kriegen würde, geschweige denn mit auf Toilette nehmen könnte), Eine Dose Ameisengift? Oder, ja, das wäre schon wirklich was ganz ganz tolles, einen Auftritt beim kommenden Karaoke Wettbewerb? Verlockend. Ich muss also wirklich schon sehr mit mir ringen, heute Abend beim Zelt zu bleiben. Schließlich muss ich morgen früh raus…

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Tag 73. Benicarló – Benicàssim

Kein Spaß heute. Ich habe wenig geschlafen, keine Stunde am Stück. Insgesamt vielleicht drei. Zu laut auf dem Campingplatz und zu hell.
Müde quäle ich mich die Strecke entlang. Ich halte an einer Tankstelle und tausche mein Wasser aus.

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Als ich Pause mache, heule ich beinahe, weil ich so erschöpft bin und keine Bank im Schatten finde. Ich bleibe also nicht lange. Weiter geht es durch Plantagen. Orangen, Artischocken (nehme ich jedenfalls an):

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Und Mandeln:

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Am Platz angekommen, sagen die mir, dass sie heute schließen. Dünne Oberfläche heute bei mir und kein Spielraum für Probleme. Es gibt aber in der Nähe einen anderen Campingplatz. Für meinen Stellplatz in der Größe einer zwei Zimmer Wohnung zahle ich 58 Euro für zwei Nächte. Leider klappt das Zelt aufbauen nicht so, denn ich bekomme die Heringe keinen Zentimeter in den Boden. Man braucht entweder einen Vorschlaghammer oder Arnold Schwarzenegger. Lustigerweise hab ich beides gerade nicht dabei. Kurz bevor ich also einen kompletten Emergency Shutdown aller meiner Systeme in Gang setzen kann, kommt mir ein netter Deutscher von Gegenüber zu Hilfe. Routiniert bohrt (!) er mit seiner Bohrmaschine die Löcher für die Heringe in den Boden. Sportlich. Kein Wort davon an der Rezeption, dass man sein Zelt quasi im Boden festschrauben muss. Wir bohren Löcher für die nötigsten Heringe, bevor der Akkubohrer aufgibt. Ich gehe noch an den Strand und gehe ins Wasser. Jetzt muss ich wohl mal was kochen und dann falle ich ins Bett.

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Tag 72. Benicarló

Kurz und knapp: nichts gewesen heute. Tag am Strand verbracht, kurz die paar Kilometer zu Lidl gefahren und, ganz wie ich es ja gerne mache und gewohnt bin, Klamotten gekauft. Und Corned Beef. Weiß noch nicht, was ich damit anfange, aber ist so eine Kindheitserinnerung. Vielleicht esse ich es einfach aus der Dose.
Auf dem Weg einen Mann gesehen, der haargenau aussieht wie der Komiker Atze Schröder. Wieder an den Strand, rein ins Wasser. In den Wellen geplantscht, bis ich keine Lust mehr hatte. Jetzt Abendbrot :-) . Hier meine Klamotten heute (die Hose ist neu):

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Also wenn das kein Color Blocking (ein Begriff den ich in Hannover gelernt habe!) ist, dann weiß ich auch nicht. Würde euch ja gerne das Gesamtkunstwerk zeigen, aber ich hab dummerweise keine Affenarme. Wäsche gewaschen hab ich auch. Meiner Leine hab ich ja irgendwo die Freiheit geschenkt, also improvisieren. Auch hier verliert man mit der Zeit die Hemmungen. Oder war es das Feingefühl … ?

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Tag 71. Deltebre – Benicarló

Es geht wieder weiter. Die Strecke die ich gestern gegen den Wind fahren musste, sause ich nun mit Rückenwind lang. Es duftet nach brackigem Wasser und Schwefel. Zweimal weht mir ein Geruch in die Nase, bei dem sich mein Magen ruckartig vom Frühstück befreien will. Glücklicherweise dauert der Geruch nur Sekunden an. Hab ich so spontan auch noch nicht erlebt.
Die Natur um mich herum lebt in trauter Eintracht. Hier jagen zwei Mini-Störche eine Möwe. Dort stolpert eher als dass es fliegt ein Blesshuhn scheinbar grundlos etwas ungeschickt in die Büsche am Straßenrand. Weiter hinten stolziert ein Reiher-ähnlicher, weißer Vogel mit einer nach hinten stehenden Federtolle auf dem Kopf affektiert durch das Reisfeld. Nach und nach nimmt die Einsamkeit ab und Industriegebiete nehmen zu. Als ich an einer Orangenplantage vorbei komme, halte ich und klaue zwei Orangen. Von jetzt an hören die Orangenbäume nicht mehr auf. Ich bin natürlich fasziniert und muss mich jedes mal bremsen, um nicht zu bremsen. Haha. Superintelligentes Wortspiel. Ich will jedenfalls noch mehr Orangen klauen, zumal ganz viele auf dem Boden liegen. Aber ich gebe dem nicht nach, vor allem weil neben den Bäumen und mir ständig die dicken LKWs fahren, was sicher nicht unbedingt gesund ist. Am Straßenrand sitzen ab und zu Frauen unter Sonnenschirmen. Und weil es so warm ist, haben sie auch nicht so schrecklich viel an. Ich vermute welterfahren, dass es keine Orangenverkäuferinnen sind … aber man weiß ja nie. Ich komme gut voran und suche mir einen Sitzplatz am Hafen von Vinaròs.

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Am Campingplatz angekommen, melde ich mich pflichtbewusst erstmal in der Rezeption. Die Empfangsdame hat eine Stimme, die wie ein schlechter Handyempfang klingt. Irgendwie abgehackt und schnarrend. Ich kriege den kleinsten Platz, den ich je hatte. Das Zelt passt drauf und das Fahrrad. In der Nacht werde ich höchstwahrscheinlich entweder in die Büsche fallen, oder über die Zeltleinen. Vielleicht auch beides, das suche ich mir dann spontan aus. Als ich “Zeltleinen” tippe, will mein Handy daraus “Zeltlerinnen” machen. Also wenn ich nicht schon etwas deutsch könnte, würde ich es mit dem Handy ganz sicher super lernen. Was also sind “Zeltlerinnen”? Wer hat das eingespeichert? Bin ich eine Zeltlerin?! Wie auch immer, ich dusche und will dann endlich was essen. Dieses Vorhaben setze ich erstmal gründlich in den Sand.

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Jaha ha. Ich bin heute mal wieder auf einem irrwitzigen Wortwitzhöhenflug.
Hier am Strand sind erstaunlich viele alleinstehende Frauen. Naja, die meisten liegen eigentlich eher (ha. … haha), aber mir ist das irgendwie sympathisch.

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Als ich mich in den Sand lege (hab meine Matte vergessen), stelle ich fest, dass die eben beim duschen artig aufgetragene Bodylotion noch nicht so ganz eingezogen ist. So sehe ich also aus wie ein Streuselkuchen. Ja, der Sand liebt mich. Egal, ich bleibe einfach liegen, ich bin satt und müde.

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Tag 70. Deltebre

Tag 70. Ich eiere gerade mal von Hamburg nach Madrid und andere reisen in nur 10 Tagen mehr einmal um die Welt… Naja, der hatte ja auch eine Tasche voller Geld und außerdem einen Elefanten. Tag 70 klingt irgendwie trotzdem cool :-)

Heute mache ich zur Abwechslung mal eine kleine Fahrradtour. Es gibt verschiedne Strecken im Delta de L’Ebre. Also los. Die großzügige Beschilderung verlasst mich schon nach dem ersten Schild. Egal, irgendwo werde ich schon hinkommen. Und da ist sie endlich wieder, die lang vermisste Einsamkeit auf der Straße. Ich freue mich über die verschiedensten Vögel, die hektisch aufflattern, als ich vorbei fahre. Ich vermute daher mal das die Freude nicht gerade gegenseitig ist. Die Ruhe wird allerdings schnell unterbrochen, als mir eine Schulklasse auf Rädern entgegen kommt. Eindeutig restlos begeistert und von der sie umgebenden Natur tief beeindruckt quälen sich die 50 Kinder mit schief sitzenden Helmen und modischen Leuchtwesten in XXL gegen den Wind voran. Wunderbar, so eine erlebnispädagogische Klassenreise. Von diesen Kolonien kommen mir noch 5 oder 6 entgegen im Laufe meines Weges. Bei “Kolonie” denke ich an die Ameisen von gestern, die heute morgen mein Zelt entdeckt haben. Als ich losfuhr, waren sie gerade dabei die Zeltstangen zu erklimmen.

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Ich gurke durch die Gegend (für meine Spanier: “gurken” wird hier als Verb benutzt und hat mit dem Gemüse “Gurke” – “pepino” en español, nicht viel zu tun. Vielleicht könnte man auf spanisch “pepinar” daraus machen, was soviel bedeutet wie “langsames, leicht orientierungsloses vorwärts schlenkern. Ich weiß nicht ob das jetzt hilft…), und schaue über Reisfelder und flache Teiche. In Frankreich werden diese Teiche “étang” genannt, ich weiß weder eine spanische noch eine deutsche Entsprechung. Dann dies hier (ich hab’s nicht so mit gerade Horizonten):

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“Caca”. Hm. Ich wage gar nicht mir vorzustellen was für eine “Area privada” das wohl ist. Nun ja.
Als ich Schüsse höre, wird mir klar, dass “caca” wohl weder die sich irgendwie aufdrängende deutsche Bedeutung hat, noch dass es eine “Area privada” des Mord und Totschlages handelt, sondern vielmehr ein Jagdgebiet ist und “caça” (jetzt sehe ich den kleinen Schnipsel am c) “Jagd” bedeutet. Beruhigt fahre ich weiter. Neuerdings rieche ich überall Katzenpipi. Wie mit einer bestimmten Automarke, die einem vorher nie aufgefallen ist und die man jetzt ständig und überall sieht. Mein Zelteingang verströmt mittlerweile einen dezenten Wildpark Duft. Keine Ahnung ob Katzenpipi nach einiger zeit immer so riecht oder ob sich das mit der Behandlung durch Duschgel und später Mückenspray erst entfaltet hat. Ich schlafe jedenfalls immer mit dem Gefühl ein, ich läge im Dschungel.

In der Stadt (Sant Carles de la Ràpita) finde ich einen Geldautomaten und einen Colaautomaten, außerdem einen Supermarkt und, jahaaa, einen Friseur! Für zehn Euro kriege ich wieder eine Form in die Haare. Ich zeige der jungen Friseurin das Foto vom Anfang meiner Reise und erkläre ihr, dass es so mal war und so ähnlich auch wieder sein soll, aber nicht ganz so kurz. Alles super. Am Ende wäscht sie mir die Haare und ich kriege noch eine Kopfmassage, bei der ich unverständlicherweise beinahe loslache. Keine Ahnung warum, ich glaube ich finde es bei den paar Haaren einfach albern. Aber es entspannt ungemein und ich bin glücklich.

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Jetzt habe ich meine bocadillos gegessen und sitze unter Palmen und trinke Tee.

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Tag 69. Deltebre

Heute nicht los gewesen mit mir. Den ganzen Tag Kopfschmerzen gehabt. Am Strand gelegen, aber die Sonne war zu heiß und zu hell. Wieder zurück zum Zelt. Langsam füllt sich der Campingplatz. Mit Niederländern, leicht zu erkennen an den E-Bikes mit Fahrradtaschen. Ich glaube, man ist kein richtiger Niederländer, wenn man nicht so ein Fahrrad hat. Auch junge deutsche Familien in Elternzeit sind dabei. 5 oder 6-jährige Tochter und neuer, kleiner Sohn. Ich glaube die junge Mutter hat gerade zum vierten Mal erzählt, dass das hier ja so wunderbare Kindheitserinnerungen für sie wären, mit dem Rad über einen Campingplatz fahren. Also, wenn die nicht merkt, dass sie das schon viermal erzählt hat, ist es mit ihren Kindheitserinnerungen aber auch nicht weit her. Ich darf das sagen, mein Gedächtnis ist auch nicht gerade für die Ewigkeit gemacht. Tja, was beobachtet man noch so auf Campingplätzen. Die Franzosen und Niederländer streiten sich höflich über Privatsphäre, gegenüber versucht ein Hundebesitzer seinen großen Boxer in ein eigens gekauftes – ich sag mal “Chihuahua Palace”- Hundezelt zu schieben, was dem Vierbeiner aber mal überhaupt nicht gefällt. Schließlich geht er einmal rein, wobei sein hinteres Ende noch rausguckt – das ganze Ding wackelt bedrohlich und kommt rückwärts wieder raus, mit einem, wie es mir vorkommt, “was tut man nicht alles fürs Herrchen”-Blick. Grotesk.
Morgens entdecke ich einen dunklen Fleck in der Nähe meines Zeltes und wundere mich im Näherkommen noch, bis ich sehe, was es denn ist

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Man kann es vielleicht nicht gut erkennen. Deswegen waren meine überaus zahlreichen Nachbarn so freundlich, das Ganze am Abend nochmal direkt an meinem Zelt zu wiederholen:

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Ameisen. Ich hab überhaupt nichts bemerkt und zehn Minuten vorher war da noch nichts. Ich stelle es mir so vor, dass spontan die Erde aufbricht, ein sprudelnder Quell kleiner Schokostreusel ergießt sich aus dem Loch und tut, was auch immer sie da alle tun. Eine halbe Stunde später, sind alle wieder weg, bereit an anderer Stelle ein neues Tor zur Hölle zu öffnen. Es gruselt mich ziemlich und ich hoffe, dass sie mich und meine Futtertasche nicht entdecken. Ich glaube, wenn ich heute Nacht auf Klo gehe, leuchte ich den Boden vor mir genau mit einer Taschenlampe ab. A propos. Ich muss schon wieder. Das wäre dann das siebte Mal heute – oder das achte? So genau kann ich mich da nicht erinnern …

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Tag 68. L’Hospitalet – Deltebre

Gestern Abend habe ich noch Freundschaft mit einer kleinen Katze geschlossen. Das war genau der richtige Tag dafür.

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Wirklich eine kleine Süße. Ihr Vater hat mir dafür dann ans Zelt gepinkelt. Dabei war ich nur mal kurz weg. Ich hab das Außenzelt natürlich offen gelassen, aber glücklicherweise den Eingang vom Innenzelt zu gehabt. Da hat er mir dann eine ordentliche Pfütze hinterlassen. Ich habe dann recht ausdauernd mit Duschgel den Eingang abgerieben, mit dem Erfolg, dass ich jetzt immerhin einen Duschgel-Katzenpipi Geruch habe, anstatt nur Katzenpipi. Egal, das war die kleine Katze aber auch wert. Ja, man wird mit sowas gelassener, genauso mit dem Vogeldreck auf dem Zelt. Oder dem Sand im Schlafsack. Oder den kleinen Tierchen im Tee, die der Wind in dieses heiße Verderben gepustet hat.

Heute bin ich dann aber weiter gefahren. Auf eine Art Halbinsel mit Naturschutzgebiet. Der Weg dahin war nicht wenig windig, aber auch hier bin ich heute gelassener. Ich fahre neben der Autobahn durch die etwas öde Trockenheit.

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Als ich hier durch muss, denke ich noch belustigt, guck mal, Licht am Ende des Tunnels und freue mich noch nachhaltig, dass ich den überaus steilen Weg weiter geradeaus durch eine Linkskurve in diesen Tunnel umgehen kann. Die Fröhlichkeit wird mir dann schlagartig von einer noch steileren Steigung auf der anderen Seite vom Gesicht gewischt. Hier kann ich nur schieben und in Gedanken über mein blödes Navi schimpfen. Naja, auch das kriege ich hin und weiter geht es, ständig hoch und runter.

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Irgendwann mache ich Pause.

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Von da an wird es richtig windig aber flach. Es geht durch Reisfelder mit vielen verschiedenen Vogelarten. Große Weiße, große Schwarze mit dünnen Schnäbeln so lang wie meine Hand, Vögel die Aussehen wie mini Störche. Ich lasse den Wind einfach durch mich hindurchpusten. Das ist jedenfalls der Plan. Aber der Wind scheint da etwas begriffsstutzig zu sein und stemmt sich gegen mich. Was soll’s. Einfach immer weiter treten.

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Tja, das war auch schon alles was ich erlebt habe. Der Platz ist nett, der Strand ist breit und fast menschenleer.
Ich bekomme einen Plan der Gegend, den ich gerade im Zelt sitzend ausbreite. Jetzt probiert mal einen Plan von annähernd 60×100 cm in einem kleinen ein-Personen Zelt auseinanderzufalten. Ich knülle, falte, knicke und am Ende reiße ich auch noch aus Versehen. Beim umdrehen klebt mein Arm an der einen Seite fest und reiße die eine Seite damit ab. Wie praktisch, jetzt ist der Plan etwas kleiner … Warum ich das nicht draußen mache? Ja, das ist mal eine gute Frage … Am Ende gucke ich einfach google maps auf meinem Handy an.

Es gibt einen kleinen Supermarkt (wichtig), ich kaufe Obst und jetzt koche ich. Fertig :-)

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Tag 67. L’Hospitalet de L’Infant

Heute mache ich eine kleine Wanderung zu einem “Mirador”, einem Aussichtspunkt. Recht schnell komme ich oben an und habe einen schönen Blick rundum. Unendlich langsam, so scheint es, quälen sich einige Yachten über das Meer. Eine nimmt Kurs aufs offene Meer. Wohin, frage ich mich. Ich weiß, da drüben ist irgendwo Mallorca, Menorca etc., aber sehen kann ich natürlich nichts. Das Meer glitzert und es ist still. Ganz leise höre ich die Autobahn hinter mir. Rechts erhebt sich ein Kernkraftwerk. Auch das ist aber still. Ich genieße die Ruhe. Meine Stimmung ist nicht mehr euphorisch, wie ganz am Anfang. Irgendwas hat sich verändert, ich bin viel häufiger ruhig und in mich gekehrt. Das schreiben fällt mir schwer und ich bleibe gedanklich und mit meiner Aufmerksamkeit immer mehr an Kleinigkeiten hängen. Vielleicht war ich jetzt auch zu lange alleine. Vielleicht ist es auch das, was mit einem passiert auf so einer Reise. Man achtet auf einmal viel mehr auf die Umgebung. Auf Ameisen, freut sich über Spatzen. Mein ohnehin geringes Interesse an Urlaubsbekanntschaften oder -begegnungen ist gänzlich verflogen. Habe ich mich vor einiger Zeit noch über Menschen, die mich ansprachen gefreut, so ist es mir jetzt eher lästig, reden zu müssen. Dementsprechend kommt das aber auch nur noch selten vor. Statt dessen freue ich mich über scheue Katzen und den Duft der Pinien. Auf meiner kleinen Wanderung riecht es unglaublich würzig und mir fehlt zu meinem Glück eigentlich nur Thymian. Wo ich das hier gerade schreibe, kommt ein sehr laut brummendes fliegendes Insektenetwas auf mich zu und streicht mir mit seinen Flügeln kurz über den Kopf. Ich formuliere das mal so, anstatt zu sagen dass es mich volle Kanne rammt. Da es hier nur Büsche gibt, bin ich weit und breit das höchste Hindernis – quasi ein Hochgefühl der besonderen Art, was ich nun wirklich nicht gerade oft erleben kann. Was dieses brummende Schwergewicht dazu veranlasst hat, in einer engen Kurve auf mich zuzufliegen und nach dem “First Contact” in einem weiten Bogen wieder zu verschwinden ist mir schleierhaft. Meine leicht düstere und melancholische Stimmung aber ist mit dem Tier sozusagen verflogen. Vielleicht war das der Grund.

Ich beschließe an den Stränden wieder nach Hause zu gehen. Auf dem Weg nach unten entdecke ich Rosmarin.
Am Strand angekommen, muss ich feststellen, dass es ein FKK Strand ist. Ach nö. Es gibt hier aber auch keine Schilder auf denen sowas wie “Vorsicht, Nackte!” steht. Na, ich ziehe immerhin meine Schuhe und Strümpfe aus. Nach dreihundert Metern brennen meine Füße wie Feuer, der Sand ist brüllend heiß. Genauso wie die Sonne, die reichlich unbarmherzig darauf brennt, mir die nächste 3 bis 4 Tage bleibende Erinnerung zu schenken. Kurzentschlossen ziehe ich alle Klamotten aus und springe ins kühle Wasser. Ja, auch eine neue Erfahrung. Ich bin überrascht, wie wenig mich meine eigene Nacktheit stört. Stolz ziehe ich angezogen wieder weiter, jetzt möchte ich doch mal nach Hause. Was ich nicht geahnt habe: der einzige Weg führt über mittlerweile sehr mit Nackten gepflasterten Strand oder über einen Campingplatz. Frech gehe ich einfach über den fremden Campingplatz. Als auch hier mir die ersten Nackten entgegenkommen, wird mir klar: Ein FKK Campingplatz. Jetzt wird es mir langsam zuviel. Als einzige mit Klamotten an gehe ich zielstrebig in eine Richtung, in der ich den Ausgang vermute. Ich versuche ein selbstbewusstes “ich gehöre hier hin und hab nur mal so aus Abenteuerlust Kleidung an”-Gesicht zu machen und rechne jeden Augenblick damit, rausgeschmissen zu werden. Viele Nackte später erreiche ich endlich den Ausgang. Genug FKK für heute.

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Tag 66. L’Hospitalet de L’Infant

Heute ein sehr ruhiger Tag. Ich hab gestern vergessen die Strecke zu posten. Hier also nachträglich:

Ich bin jetzt bei etwas über 2.700km. Ich schätze alles in Allem werden es wohl am Ende 3400km sein. Also 400 mehr als ich geschätzt hatte. Ich bleibe morgen noch hier. Es ist ruhig hier, die Sonne scheint und ich bin dabei mich mit einem Kater anzufreunden. Recht einseitig fürchte ich. Ich glaube er will nur meine Chorizo Wurst. Aber Liebe geht ja durch den Magen und ich nehme, was ich kriegen kann. Es ist ein geeigneter Platz hier, um wieder bei mit anzukommen und die restlichen Tage zu genießen. Das Nichtstun fällt mir schwer. So gut ich auch mit mir alleine und der Einsamkeit klar gekommen bin – einfach nur rumliegen und lesen oder was auch immer macht mich unruhig. Vielleicht lerne ich das ja noch in den nächsten Tagen. Vielleicht werde ich nun aber auch ungeduldig, da ich bald Julia treffe und meine Reise dann fast zuende ist. Jetzt auf einmal kommt mir das so schnell vor. Dabei ist es eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich in Trier war oder morgens mit Mütze und Pullover aus dem Zelt auf eine tauverhangene kalte Wiese geblickt habe und meine Finger vor Kälte ganz steif waren. Ich kann nicht sagen, ob ich mich nun freue oder traurig bin. Beides vermutlich. Ich möchte endlich bekannte Gesichter wieder sehen, meine Frau und meine Familie. Aber ich möchte die Tage hier auch noch genießen. Aber ich habe ja auch noch ein paar Tage und die Sonne scheint :-) . Und zwischen mir und Madrid liegt auch noch ein Gebirge, dass überwunden werden will. Ich würde sagen, diese Strecke von Valencia bis Madrid ist die eigentliche Herausforderung. Zumindest körperlich. Na, wird schon :-)

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Ich glaube ich campe und einem Affenbrotbaum. So schließt sich der Kreis :-)

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