Tag 67. L’Hospitalet de L’Infant

Heute mache ich eine kleine Wanderung zu einem “Mirador”, einem Aussichtspunkt. Recht schnell komme ich oben an und habe einen schönen Blick rundum. Unendlich langsam, so scheint es, quälen sich einige Yachten über das Meer. Eine nimmt Kurs aufs offene Meer. Wohin, frage ich mich. Ich weiß, da drüben ist irgendwo Mallorca, Menorca etc., aber sehen kann ich natürlich nichts. Das Meer glitzert und es ist still. Ganz leise höre ich die Autobahn hinter mir. Rechts erhebt sich ein Kernkraftwerk. Auch das ist aber still. Ich genieße die Ruhe. Meine Stimmung ist nicht mehr euphorisch, wie ganz am Anfang. Irgendwas hat sich verändert, ich bin viel häufiger ruhig und in mich gekehrt. Das schreiben fällt mir schwer und ich bleibe gedanklich und mit meiner Aufmerksamkeit immer mehr an Kleinigkeiten hängen. Vielleicht war ich jetzt auch zu lange alleine. Vielleicht ist es auch das, was mit einem passiert auf so einer Reise. Man achtet auf einmal viel mehr auf die Umgebung. Auf Ameisen, freut sich über Spatzen. Mein ohnehin geringes Interesse an Urlaubsbekanntschaften oder -begegnungen ist gänzlich verflogen. Habe ich mich vor einiger Zeit noch über Menschen, die mich ansprachen gefreut, so ist es mir jetzt eher lästig, reden zu müssen. Dementsprechend kommt das aber auch nur noch selten vor. Statt dessen freue ich mich über scheue Katzen und den Duft der Pinien. Auf meiner kleinen Wanderung riecht es unglaublich würzig und mir fehlt zu meinem Glück eigentlich nur Thymian. Wo ich das hier gerade schreibe, kommt ein sehr laut brummendes fliegendes Insektenetwas auf mich zu und streicht mir mit seinen Flügeln kurz über den Kopf. Ich formuliere das mal so, anstatt zu sagen dass es mich volle Kanne rammt. Da es hier nur Büsche gibt, bin ich weit und breit das höchste Hindernis – quasi ein Hochgefühl der besonderen Art, was ich nun wirklich nicht gerade oft erleben kann. Was dieses brummende Schwergewicht dazu veranlasst hat, in einer engen Kurve auf mich zuzufliegen und nach dem “First Contact” in einem weiten Bogen wieder zu verschwinden ist mir schleierhaft. Meine leicht düstere und melancholische Stimmung aber ist mit dem Tier sozusagen verflogen. Vielleicht war das der Grund.

Ich beschließe an den Stränden wieder nach Hause zu gehen. Auf dem Weg nach unten entdecke ich Rosmarin.
Am Strand angekommen, muss ich feststellen, dass es ein FKK Strand ist. Ach nö. Es gibt hier aber auch keine Schilder auf denen sowas wie “Vorsicht, Nackte!” steht. Na, ich ziehe immerhin meine Schuhe und Strümpfe aus. Nach dreihundert Metern brennen meine Füße wie Feuer, der Sand ist brüllend heiß. Genauso wie die Sonne, die reichlich unbarmherzig darauf brennt, mir die nächste 3 bis 4 Tage bleibende Erinnerung zu schenken. Kurzentschlossen ziehe ich alle Klamotten aus und springe ins kühle Wasser. Ja, auch eine neue Erfahrung. Ich bin überrascht, wie wenig mich meine eigene Nacktheit stört. Stolz ziehe ich angezogen wieder weiter, jetzt möchte ich doch mal nach Hause. Was ich nicht geahnt habe: der einzige Weg führt über mittlerweile sehr mit Nackten gepflasterten Strand oder über einen Campingplatz. Frech gehe ich einfach über den fremden Campingplatz. Als auch hier mir die ersten Nackten entgegenkommen, wird mir klar: Ein FKK Campingplatz. Jetzt wird es mir langsam zuviel. Als einzige mit Klamotten an gehe ich zielstrebig in eine Richtung, in der ich den Ausgang vermute. Ich versuche ein selbstbewusstes “ich gehöre hier hin und hab nur mal so aus Abenteuerlust Kleidung an”-Gesicht zu machen und rechne jeden Augenblick damit, rausgeschmissen zu werden. Viele Nackte später erreiche ich endlich den Ausgang. Genug FKK für heute.

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2 Gedanken zu „Tag 67. L’Hospitalet de L’Infant

  1. Guten Morgen bessere Hälfte!
    Vielleicht ist nun auch dein Ziel erreicht, den Blick zu sich selbst und den kleinen aber wichtigen Dingen hin erfahren zu haben? Ich finde es klingt wie etwas, was ich mir auch gerne, jenseits der Großstadt leisten möchte. Aber der Weg dahin scheint mir doch hart, zwei Monate tausende Kilometer fressen :-)
    Nun hast du nicht mehr viel vor dir und bald folgt eine sehr schöne Woche mit deiner Perle, ich bin stolz auf dich!

  2. liebe Menina,

    das klingt ganz nach Pilgererfahrung:-) ich glaube das stellt sich einfach ein, genieße den Zustand und bewahre all die Erfahrungen in deinem Herzen (machst du ja eh:-)

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