Archiv für den Monat: April 2014

Tag 24. nach Vesoul

Mein Ostersonntag
Ach, schlafen bis acht. Das ging sogar mal, weil ich in der Nacht auf Klo war, statt bis zum Morgen zu warten. Ich lasse mir zeit, es ist kalt und wolkig. Ich habe ja nur eine Strecke von 35km. Während das Teewasser kocht, fange ich an, das Zelt aufzuräumen. Huch, eine kleine Spinne. Macht ja nichs, denke ich äußerst großzügig. Als ich zum Fahrrad gehe, ist auch hier eine kleine Spinne. Etwas größer, als die davor, aber ich bleibe cool. So ist das eben beim campen. Eine weitere Spinne krabbelt auf meinen Klopapierrollen lang. Kann ich verstehen, auf rosa farbenem Klopapier würde ich auch krabbeln wollen. Weiter machen mit Schlafsack einpacken. Nichtsahnend und vor allem noch ganz entspannt (obwohl mir die Spinnenfrequenz nicht ganz so gut gefällt) stopfe ich das Ding in seinen Beutel. Da sehe ich aus dem Augenwinkel das hier:

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Urgh.
Ich erstarre in Panik. Tarantula bewegt sich überaus schnell auf dem Innenzelt entlang Richtung Zelteingang. Lustig, dass einem zu so einem Zeitpunkt die dümmsten Visionen plagen. Tarantula wird für mich schnell zu Gigantula und bringt noch eine Menge Geschwister mit. Ich verlasse fluchtartig das Zelt und weiß nun erstmal nicht, was ich als nächstes machen soll. Teewasser kocht schon lange und so setzte ich mich erstmal hin. Auf einmal ist mein kleiner supertoller Hocker gar nicht mehr so toll, hebt er mich doch nur lächerliche 26cm vom Boden und damit von dem Monster. Ich fange mit den üblichen verfolgungswahnartigen Routinen an. Jede Plastiktüte wird genau beäugt. Jede Bewegung auf dem Boden wird lokalisiert. Jedes Kribbeln auf der Haut genauestens untersucht. Irgendwann fange ich an, das Außenzelt abzunehmen. Muss ich ja. Ich will es gerade ausschütteln, als es mir der Wind mitten ins Gesicht weht. Prima. Alles loslassen, drei Schritte zurückspringen und übers Gesicht wischen. Hoffentlich sieht mich keiner. Wieder angepirscht, Ecken hochheben. Das Vieh ist längst weg. Mann mann mann. Als ich das Innenzelt einpacken will, sehe ich sie mit einer Beute, die mindestens so groß ist wie sie. Netterweise zieht sie sich zurück. Uff.
So, die Sonne kommt raus und ich fahre endlich los. Ich fahre durch kleine Dörfer mit hübschen Kirchen:

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Werde beäugt und bin sicher danach das Weide- und Stadtgespräch:

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Und freue mich im allgemeinen über den Tag und die Landschaft:

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Ich freue mich über die Sonne und über ein Kölner Wohnmobil, dass mir entgegen kommt. “Köln!” rufe ich sinnigerweise und lache. Keine Ahnung, was die von mir gedacht haben. Verrückte Franzosen, vermutlich.
Als ich nach Vesoul komme, sehe ich ein McDonald’s Schild und kann natürlich nicht widerstehen, zumal ich sowieso viel zu früh bin. Ich bleibe stehen und dödel mit meinem Handy rum, um rauszufinden ob es da wohl ein Mccafé gibt, als ich hinter mir eine Stimme höre. Keine Ahnung, was der nette junge Mann sagt, aber instinktiv verstehe ich dass er mir helfen will. Nett, aber unnötig. Macht nichts, ich sage “ich suche McDonald’s”. Unverständliches highspeed französisch folgt. Er gestikuliert wild hinter sich. Da ist wohl das Ziel meiner Träume, seiner Begeisterung nach zu urteilen. Ich frage nach einem McCafé und er bietet mir sofort an, dass er mir einen Kaffee machen kann. Süß. Irgendwie nett, aber auch unheimlich. Zumal ich gar keinen Kaffee mag. Ich lehne dankend ab und er deutet wieder hinter sich. Da runter und a droite blablabla. Er leitet mich noch sicher über die vierspurige Straße und freut sich ganz allgemein des Lebens, würde ich sagen. Also echt, ich bin baff. Ich komme sicher bei McDonalds an und bestellen einen grünen Tee und einen müffin au chocolat. Also echt, bei solchen Wörtern weiss ich einfach nicht, was ich machen
soll. Ich sage aber stur “müffin” und versuche nicht zu grinsen.

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Tag 23. Épinal – keine Ahnung wie das hier heißt

Ich habe die Etappe nach Vesoul zweigeteilt und bin reichlich froh darüber. Als ich heute hier ankam hätte ich nicht noch 35km fahren wollen. Heute morgen waren -2 Grad. Ich habe kurzerhand mein Frühstück in die Sanitäranlagen verlegt:

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Wow, glücklicherweise hatte ich keine Ahnung, wieviel Höhenmeter zwischen mir und meinem Ziel lagen. Mit 60km/h den Berg runter und den nächsten mit 4 wieder hoch. Abwechselnd eiskalt und brüllend heiß. Irgendwann habe ich meinen Puls in der Nase gefühlt. Äußerst merkwürdiges Gefühl. Die Pause war kurz, weil kalt und windig.

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Nach dem Zelt aufbauen gehe ich einkaufen. Schlechte Idee, denn ich habe nicht wenig Hunger. Ich gehe in einen gigantischen “Auchan” Supermarkt und vergesse beim Betreten desselben sofort alles was ich kaufen wollte. Das Tier in mir möchte in alle Schinken, Würste und Brote beißen die ich sehe. Ich finde mich in der Technikabteilung wieder und habe tatsächlich das Gefühl, dass ich hier irgendwas bestimmtes kaufen wollte. Mein Kopf ist aber leer und ich starre den Gang entlang. Die Leute starren mich an, wahrscheinlich weil ich meinen Helm noch aufhabe. Würde ich ihn aber abnehmen, würden sie noch mehr starren. Bilde ich mir ein. Unversehens stehe ich vor den ca. 50m Klopapier. Ja, das brauche ich. Gibt’s hier selten auf Campingplätzen. Ich kaufe 8 Rollen und frage mich hier tatsächlich noch, wo ich die lassen soll. Dieser Gedanke verlässt mich jedoch eilig, als ich in die Süßigkeiten-Abteilung komme … Mein Gehirn hat sich längst hauptsächlich abgeschaltet und versucht nur noch hektisch die Vernunft wiederzufinden. Unbeeindruckt von dem Kampf in meinem Inneren, packe ich viel zu viele Dinge in meinen Korb. Ich gehe vorbei an Fertigpizzen, geräucherten Würsten, Fisch und Fleisch. Ich glaube ich muss mal wieder was richtiges Essen. Und viel. Ein Typ spricht mich in gewohnt französischer Supermarkt-Konversation an. Ich sage ihm, dass ich Deutsche bin kein französisch spreche (alles ist runtergefahren, ich bin dazu wirklich nicht mehr in der Lage) und er wiederholt einfach nochmal das gleiche, was er zuvor gesagt hat. “Oui”, sage ich und er ist zufrieden. Als ich auf dem Parkplatz quasi wieder zu mir komme, habe ich schon das halbe Brioche mit Schokostückchen aufgegessen. Meine Hände und vermutlich auch mein Gesicht, sind voll mit Schokolade und ich stopfe mir gerade noch den letzten Bissen in den Mund. Ich liebe stopfen. Ich glaube ich gehe nicht wieder hungrig einkaufen.

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Tag 22. Nancy – Épinal

Heute wirklich Quälerei. Nach 20km kaputte Speiche mitten im nirgendwo. Aufkommende Verzweiflung runtergeschluckt, ist ja nicht das erste Mal, also kein Grund auszuflippen. Fragt sich nur wohin jetzt … In meiner Zielstadt gibt es einen Fahrradladen, was ich Dank Internet rausfinde. Dann mal frisch ans Werk und da anrufen …
Ich radebreche (auch ein schönes Wort mit “Rad”. Und mit “brechen”. Wie passend …) mein Problem am Telefon einem netten Franzosen. Natürlich ohne die Worte für “Speiche”, “Hinterrad” und “auswechseln” zu kennen. Mein Satz muss für den Franzosen ungefähr so klingen: “Guten Tag. Ich tue eine Tour von deutsche nach Madrid. Ich habe eine Problem mit meine letzten Rad. Es ist kaputt ein Stab. Es gibt dort viele Stäbe, ich kenne das Wort nicht. Es ist vorbei (hier sage ich Versehen passé für passiert) das zweite mal. Sie sind offen und können reparieren? Ja, ich gehe gut, rollen funktioniert. Oh, vielen Dank! Es gibt noch, glaube ich, 500km bis Épinal. Ja, danke, auf wiedersehen”. Er hat aber alles verstanden und die 500km schaffe ich. Es sind auch nur etwas mehr als 50, aber ich habe keine Pause gemacht und meine Energie ist bald dahin. Es geht hoch und runter und regnet sie meiste Zeit. Das ist aber ok, ich habe meine Regenkleidung an. Die letzen neun Kilometer sind endlos und gehen nochmal schön nach oben. Endlich bin ich am Campingplatz und baue schnell das Zelt auf. Mein Knie tut weh und ich bin klitschnass geschwitzt. Der fahrradladen ist zum Glück in der Nähe. Es kostet 7 Euro und ich bekomme noch 5 Speichen mit auf den Weg. Ich vermute, nach 300km oder so kommt die nächste Speiche. Ich koche nicht mehr, ich hab einfach keine Lust. Die Sonne kommt noch etwas raus, aber als Ausgleich werden heute Nacht Null Grad. Ja, solche Tage gibt es auch. Bis morgen!

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Tag 21. Nancy

Kalt kalt kalt. Aber, die Sonne kommt raus und dann wird es richtig warm.
Nancy ist eine Stadt mit viel Gold und viel Jugendstil. Ich beschließe eine Stadtrundfahrt zu machen. In so einer kleinen Bummelbahn, die offen ist. Langsam füllt sich das Teil, alle Deutschen freuen sich über Kopfhörer mit einer Führung in Deutsch über Kanal Nr. 4. Dachten wir jedenfalls. Es geht los und auf allen Kanälen wird fröhlich losgeplappert, nur Kanal 4: Grabesstille. Vor mir ein deutsches Paar. Ich schalte um auf Englisch. Vor mir werden hektisch alle Kopfhörer ausprobiert. Langsam wird der letzte Wagen, unser Wagen, unruhig. Die Franzosen hinter mir erklären dem Deutschen Paar, dass sie die Lautstärke aufdrehen sollen, dann ginge das schon. Er versucht höflich zu antworten, dass er das schon mehrfach probiert hat – ich kann aber trotz meines englischen Kanals im Ohr hören, dass er leicht frustriert ist über diese Unterstellung technischer Unzulänglichkeit. Er winkt nach vorne, während die Franzosen immer wieder “Volume” rufen. Immerhin ein englisches Wort, das ihnen da über die Lippen kommt. Die Bahn rödelt ungerührt weiter. Todesmutig springt er raus und läuft nach vorne. Die Bahn hält, er redet auf deutsch auf den Zugführer ein, der seinerseits auf französisch antwortet. Das Wunder wird gewirkt, der deutsche Kanal funktioniert. So ruckeln wir dann 45 min. ab und ich schalte ungerührt auf Kanal 4.

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Mein nächster Halt ist McDonald’s. Ich weiß, Menina ist in Frankreich und geht, statt ein schönes französisches Restaurant zu genießen, lieber zu McDonald’s. Aber, ich fühle mich hier wohl und habe WLAN. Ich nehme die französische Variante des Royal TS, der haargenauso aussieht wie in Deutschland. Beim ersten Bissen wird mir aber klar, dass ich in ein Klischee beiße. Die Soße ist eine Senfsoße. Natürlich. Ansonsten hab ich mit niemandem gesprochen und alles mögliche eingekauft was natürlich nicht mehr in meine Taschen passt.
Eine Sache verstehe ich aber nicht so. Warum heißen “die Schlümpfe” hier “die Strümpfe”? Ein fataler Übersetzungsfehler? Bösartige Absicht? Ich weiß noch nicht mal, wie ich das aussprechen soll…

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Morgen geht es weiter :-)

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Tag 20. Metz – Nancy

Tja, mir ist eigentlich noch nichts weiter widerfahren, außer dass ich wieder fahre (haha, kleines Wortspiel).
Allerdings weiß ich jetzt, dass die Bezeichnung “Weg” oder “Feldweg” in meinem Navi Grund zur Besorgnis gibt. Wie dem auch sei, heute morgen Tee gemacht:

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Und dann Zähne geputzt und meinen neuen Look bewundert …

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Packen. Losfahren und verstanden dass “Wege” nicht immer toll sind. Als nächstes zeigt mein Navi “Single Trail”. Klingt cool, aber wo ist denn da jetzt noch der Unterschied zu “Wegen?”. Nach 10m wird mir dieser schlagartig klar:

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Wenigstens gibt es hier keine autogrossen Schlaglöcher, in denen man problemlos ertrinken könnte. Gott sei Dank ist es trocken. Ich ruckele den Single Trail entlang und nehme mir vor, bei der nächsten Gelegenheit auf eine Straße zu wechseln. Gedacht, getan – zack, nach 2 oder 3 km wieder Asphalt unter dem Reifen. Das Örtchen “Pompey” erinnert mit einem Schildchen “Roule cool”. Stimmt ja, fast vergessen. Ich pule meine Sonnenbrille raus und rolle geradezu supercool in einem flotten Tempo in das Örtchen runter.
Jetzt Pause und Futter.

Am Ende meiner Pause (ich beschloss spontan dass es das Ende ist) kommt eine Madame mit Hund. Der Hund interessiert sich erstaunlicherweise überhaupt nicht für mich. Dafür aber Madame, die mich zunächst fröhlich mit “blablablamonsieur”. Und ich dachte meine berühmte Thermounterwäsche könnte eigentlich nichts verbergen. Nun ja, ältere Dame mit Sonnenbrille, Menina mit kurzen Haaren. Sie bemerkt ihren Fauxpas natürlich gleich, als ich mich aufsetze. Wir führen ein wirklich nettes Gespräch, wobei ich hauptsächlich “dangereux” und “Courage” verstehe. Aber ich mache mich und kriege auch zusammenhängende Sätze mit Sinn und Verstand heraus. Mein Lieblingssatz ist “je ne sais pas le môt” – “ich kenne das Wort nicht”. Aber wie Franzosen so sind, redet sie fröhlich auf mich ein und unterstreicht mit überdeutlicher Mimik was sie sagt. Bei dem Wort “dangereux” zieht sie die Augenbrauen fast bis zum ergrauten Haaransatz, nur um sie gleich darauf fast bis zur Nase wieder runterzuziehen. Fasziniert beobachte ich sie und verpasse so den nächsten Satz. “Äh” sage ich mal wieder und fange an meine Sachen zu packen.
Beschwingt setze ich meinen Weg fort, nachdem ich die Dame einem Herrn, den sie offenbar kennt, übergeben habe. Mit halbem Ohr höre ich sie von der “petite allemande” erzählen, die nach Madrid fährt. Gleich im ersten Satz fallen wieder die Worte “dangereux” und “Courage”. Ich weiß nicht, ob sie das nun alles wunderbar findet oder mich für verrückt hält.
Ich komme am Platz an, kostenloses WLAN, richtige Toiletten (das ist nicht immer einfach in Frankreich!) und gratis Klopapier. Toll, dieses Frankreich!

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Tag 19. Metz

Ein Hotelzimmer. Was für ein Fest. Sofort breite ich alle meine Sachen überall aus. Inklusive des nassen Außenzeltes. Das kommt in die Dusche. Der kleine Tisch ist sofort mit allen möglichen Dingen belegt. Zuerst dusche ich. Danach gehe ich einkaufen – ein Fest. Danach kam wie schon gestern beschrieben, das Gelage.
Heute gucke ich mir Metz an. Es ist reichlich kalt draußen und ich im Pullover. Ich schließe mein Fahrrad mit allen Schlössern an, die ich habe. Vier immerhin. Ich beginne meine Wanderung. Ah, an der gigantischen Kathedrale ist ein Office du tourisme. Prima, rein da. Ich beginne meine Frage nach einem Stadtplan mit “äh”. Dann kneife ich den Schwanz ein und rede auf englisch weiter. Die Dame zaubert einen Plan hervor und ein Stakkato französischer Sätze prasselt auf mich ein. Sie zeigt mit dem Finger auf den Plan, da wo die Kathedrale ist. Von den Wörtern, die sie mir im Affentempo um die Ohren haut, verstehe ich eigentlich nur die Pausen. Aber als sie erneut vehement auf den Plan piekst, verstehe ich ein “ici” – hier. Ich traue ihr zu dass sie mir verklickern will, dass dort die Kathedrale ist und wir auch. “Ah” sage ich höflich. Ist ja auch so leicht zu übersehen, das piefige Ding.

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Wieder draußen, im kalten Schatten der Kathedrale, sehe ich einen Supermarkt, der mich magisch anzieht. Weil es da warm ist, natürlich nur. Ich bleibe abrupt vor den gebratenen Hähnchen stehen. Eine Dame neben mir spricht (wie ich hoffe) vor sich hin. Aber nein, nachdem sie ihren Satz beendet hat, guckt sie mich erwartungsvoll an. “Die sind noch warm” sage ich zugegebenermaßen ziemlich lahm, aber immerhin auf französisch. Diese unumstößliche Wahrheit beeindruckt die Dame anscheinend dermaßen, dass sie ihren Wagen ein Stück von mir wegschiebt. Zufrieden gehe ich zu den Mangos. Ist doch gar nicht so schwer, das Französisch. Auch hier werde ich angesprochen, scheint hier im supermarché so Sitte zu sein. Irgendwas mit terrible sagt die Frau und deutet auf die Mangos, ich nicke, denn die Dinger sind steinhart. Ich kaufe ein paar Sachen und freue mich darüber. Wieder draußen scheint sie Sonne. Ich kaufe mir einen grünen Tee (ca. 200ml…), eine deutsche Zeitung und setze mich auf eine Bank. Wieso kann man deutsche bloß immer erkennen? Ist das eine Art Radar oder sehen wir einfach so deutsch aus? Ich natürlich nicht, ich bin bloß eine Französin, die eine deutsche Zeitung liest. Damit das auch klar ist, ziehe ich mein zuvor gekauftes Baguette etwas aus meinem Rucksack. Nachdem ich die Zeitung fertig gelesen habe, spreche ich eine deutsche Familie an. Schockiert über diese ungewollte Erinnerung an die Heimat, schweigen alle, als ich frage ob sie meine Zeitung haben wollen. Ja, muss ja nicht. Kann ich auch woanders loswerden. Sie hätten nun ausgerechnet heute morgen schon eine … nein, also (unsicheres Lachen). Nun denn. Ich wende mich ab und suche mein Glück woanders. Ein Waffelstand erscheint mir da deutlich vielversprechender. Wie gewohnt beginne ich den Satz mit “äh”. Eine wunderbare Einleitung. Macht sie doch deutlich dass ich nicht von hier stamme, unsicher bin und die Sprache nicht so gut spreche. Damit bilde ich mir ein, schonmal alles Wichtige gesagt zu haben. Ich bestelle eine Waffel mit Nutella. Ich zögere kurz bei dem Wort “Nutella”. Sage ich jetzt “Nütella”? Kommt mir wie eine Parodie vor. Dadurch wandelt sich meine Bestellung jetzt eher in eine Frage. Mein Gegenüber zuckt aber nicht und ich bekomme was ich bestellt habe. Lecker.

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Jetzt gucke ich seit einer Viertelstunde eine Gameshow. Es laufen auf fast allen Kanälen Gameshows. Außer natürlich auf Arte. Da läuft eine Doku über den Garten im allgemeinen. Die ganze Viertelstunde über versuche ich Regeln und Ziel dieser Show zu ergründen. Es gelingt mir nicht. Eben mussten zwei gehen und jetzt sind zwei neue Kandidaten da. Sie müssen Fragen beantworten. Das habe ich schonmal rausgefunden. Die beiden Kategorien, aus denen diese zwei jetzt wählen dürfen sind “Tissue” (Stoffe) und “Fromage”. Natürlich. Ich bin schließlich in Frankreich. :-)
Jetzt muss ich Schluss machen, sonst verpasse ich die Simpsons. En francais.

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Tag 18. Rettel – Metz

Kurzes Update (meine Finger sind so kalt, dass das tippen nervt). Gestern in la france angekommen. Ich hab es nicht mal gemerkt, bis ich französische Straßenschilder gesehen habe. Schengen sei Dank. Zurück, bis ich wenigstens das hier entdeckt habe:

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Und das hier:

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Hurra.
Der Platz zu dem ich wollte hat zu. Quoi faire? Denke ich schon ganz assimiliert von la france. Weiter Richtung Metz, meine nächste Station, ist der Platz auch geschlossen, was ich Dank Internet rausfinde. Was hab ich bei der Planung denn gemacht?! Jetzt wird es kritischer. Ich fahre trotzdem weiter, was auch sonst. In thionville soll es auch einen camping municipale geben. Eine Art öffentliches Gelände mit Camping Option. Nochmal 17km. Es ist kalt und ich muss auf Toilette. Ein Ort weiter ist ein Schild zu einem Campingplatz. Auch ein camping municipale. Ich versuche mein Glück, aber wieder mal hat Fortuna was besseres vor. Auch hier zu. Vive la france, denke ich. Auf dem Gelände ist ein Restaurant. Höflich aber innerlich verzweifelt, frage ich, ob ich vielleicht eine Nacht …? Noch bevor ich meinen bröckeligen Satz zuende bringen kann, unterbricht mich mein Gegenüber – als er noch dachte ich will was bestellen, hat er noch gelächelt. Eilig hat sich das Lächeln aber in eine Ecke seines Mundes verzogen und versucht sich zu verstecken. Non Madame, ce n’est pas possible. Er winkt eine Dame zu sich, die offenbar Deutsch kann. Sie erklärt, dass der Platz geschlossen ist (wär mir jetzt überhaupt nicht aufgefallen …) und ich nicht bleiben kann. Aber 30km weiter könnte vielleicht ein Platz offen sein. Am Ende gestattet sie mir hinter dem Restaurant auf der Wiese zu bleiben, nachdem sie mir ungefähr fünf mal gesagt hat, dass das aber dann auf meine eigene Verantwortung usw. Ich schiebe mein Rad auf die Wiese und verschwinde fast in dem gefühlt meterhohen Gras. Spinnen, Zecken, Schnecken und Mücken sind mir alle egal. Ich rufe Julia an und breche sofort in Tränen aus. Nach dem Gespräch bin ich ruhiger und baue das Zelt auf. Noch sind Menschen da, aber ganz geheuer ist mir das alles nicht. Ich sitze im Zelt und verbringe zwei Stunden damit, die französische SIM Karte zu aktivieren und alles einzustellen. Alida und Marc-Oliver organisieren mir ein Hotel für den nächsten Tag. Ich bin froh und dankbar über meine Familie. Langsam wird es dunkel und nach und nach verschwinden die Autos und die Menschen. Als ich ganz alleine bin, wird mir mulmig. Ich sammle eine Taschenlampe, mein Pfefferspray und ein Messer zusammen und lege es griffbereit zurecht.

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Letzten Endes schlafe ich zwar schlecht und male mir die wildesten Geschichten aus, aber ich stehe am morgen unversehrt auf und packe zusammen. Jetzt mache ich Pause und esse endlich was. Es ist reichlich kalt, aber die Sonne kommt ab und zu raus. Es könnte schlimmer sein …

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Im Hotel angekommen. Reichhaltiges Abendbrot zu mir genommen. Liege auf dem Doppelbett und grabbele lustlos in einer Chipstüte. Bin extrem voll, aber die Cola Zero und das Kitkat müssen noch rein. Sehe die Simpsons auf Französisch. Augen brennen und fallen wohl bald zu :-) .

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Tag 17. Trier – Rettel

Immernoch der Moselradweg. Mal an einem Ufer, mal an dem anderen. Am anderen Ufer scheint eigentlich immer die Sonne. Ist ja klar :-)
Ich fahre an Wiesen und Feldern vorbei. Eine willkommene Abwechslung zu den ewigen Weinbergen. Auf einem kleinen Fußballfeld vergnügt sich ein kleiner weisser Hund mit einem recht dicken Mann. Der Mann wirft einen Ball, den der Hund nach zwei Sekunden erlegt hat und jetzt die nächste halbe Stunde darauf wartet, dass der Mann zu ihm gewatschelt (anders kann ich den rudernden Schleich/Schongang nicht beschreiben) kommt. Währenddessen erleidet der kleine Hechelhund fast einen Herzinfarkt vor lauter Freude, Ungeduld und Aufregung. Was für ein Hundeleben. Ich habe mir viel Zeit mit meinen beiden Schlucken aus der Wasserflasche gelassen, sodass ich alles in Ruhe beobachten kann.
Weiter geht’s. Ich komme zu einem Örtchen namens “Oberbillig”. Hm.
Hier beginnt sich die Mosel zweisprachig zu teilen, auf der anderen Seite ist Luxemburg. Verrückt, aber am anderen Ufer sieht es ganz genauso aus, wie an meinem Ufer. Mir kommt eine große Gruppe Nordic Walking Wanderer entgegen. Als ich schon fast unbehelligt vorbei bin, ruft doch noch einer lautstark wo es denn hinginge. Nach Madrid rufe ich zurück und bekomme als Antwort ein hysterisches Lachen. Vielleicht lacht der Mann auch immer leicht an der Grenze zum Nervenzusammenbruch, aber mich irritiert es und ich gebe schnell mehr Gas. Ein, Marienkäfer, vermutlich berauscht von der Schnelligkeit, dockt an meinem Bein an und tritt kräftig mit. Gemeinsam Schrauben wir uns auf 27kmh hoch, und das mit leichtem Gegenwind. Marienkäferpower. Bedauerlicherweise verlässt mich mein Begleiter wieder und ich Fälle zurück auf 20kmh. Aber kurz haben wir beide den Rausch der Geschwindigkeit erlebt.
Jetzt Pause und Futter :-) . Pappiges Brötchen und bitterer Tee. Ja, das Leben ist kein bunter Teller. Wie habe ich den Tee bloß so bitter hinbekommen? Mir drängt sich der Verdacht auf, dass da irgendwie Spiritus mit im Spiel ist. Wer sich schonmal nach dem Befüllen des Spiritusbrenners die Finger abgeleckt hat, weiß was bitter ist. Egal, ich kann und will nicht von meinen Gewohnheiten abweichen. Also runter damit. Bin ich wirklich erst zwei Wochen unterwegs? Kommt mir Ewigkeiten entfernt vor, dass ich in der Lüneburger Heide war.
Nach dem Essen lege ich mich auf die Bank. Zärtlich drückt das knallharte Eichenholz oder was auch immer in meinen Rücken und erinnert mich so, nicht zu lange liegen zu bleiben. Ich ignoriere den stummen Aufruf und gucke in den Himmel. Im Baum über mir zwitschern die kleinen Vögel. Vielleicht sind es auch luxemburgische “Vôgel”. Egal. Gedankenverloren schaue ich den Baum an. Die Vögel sind recht unerschrocken mittlerweile näher gekommen. Direkt über mir. Bevor sich der Gedanke in meinem Kopf zu einem ganzen Satz bilden kann, landet ein kleiner Klecks weißen Vogeldrecks auf meinem Bauch. Jetzt erinnere ich mich auch, dass die Bank recht üppig vollgekleckst war. Ach was soll’s. Passe ich besser zu meinem Fahrrad, denke ich. Schön, so eine Gelassenheit zu haben. Man könnte es auch Faulheit nennen.
Und just da, wo die einzige Möglichkeit besteht, sich ungesehen auf Klo zu begeben, ist eine Gänsefamilie mit drei kleinen Jungen. Ja, die Natur ist meine Freundin …

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Tag 16. Trier

Endlich mal wieder Ausschlafen.

Noch vor sieben bin ich gezwungen auf Toilette zu gehen. Macht nichts, mich kann heute nichts aus der Ruhe bringen. Wieder rein in den Schlafsack und weiter gedöst. Es stürmt und die Sonne versucht die Oberhand zu gewinnen. Ich stehe auf, wasche mich und beginne planlos mit dem Frühstück machen. Kaum hab ich mal Zeit, scheint mein Gehirn alles durcheinander zu bringen. Keine Ordnung, kein Plan. Um mich herum verstreut liegen meine Frühstückssachen. Tee. Das mach ich mal zuerst. Teewasser aufsetzen. Direkt an meinem Zelt führt der Radweg lang. Zahlreiche Radler und Jogger beobachten meine Bemühungen. Ich tue so, als ob ich genau wüsste, was ich tue. Müsli machen. Ich gehe etwas zu großzügig mit der Milch um und sie schwappt über den Tellerrand. Macht nichts, mich bringt das nicht aus der Ruhe. Teewasser kocht, ich beginne mich langsam in bekannte Abläufe zu begeben. Tee aufgießen. Zwei winzig kleine Vöglein haben ihr winzig kleines Nest in direkter Nachbarschaft von mir gebastelt. Sie machen ganz leise kleine Geräusche. Super Nachbarn. Ich beobachte ein geschäftiges Flattern und Bauen und Biegen und Brechen. Bis einer der beiden mich verstört ansieht. Keine Angst kleiner Vogel, mir steht der Sinn heute nicht nach Nano-Omelette. In meinen ornithologischen Studien habe ich meinen Tee vergessen. Der dürfte mittlerweile recht bitter sein. Macht nichts, nur die Ruhe. Ich esse erstmal eine Kiwi. Spontan fühle ich mich äußerst gesund. Jetzt das Honigbrot. Verträumt schaue ich auf die Mosel, bis ein kräftiger Windstoß eine meiner zum Trocknen aufgehängten Unterhosen über den Zaun Richtung Radweg schubst. Ich lasse mich jetzt doch aus der Ruhe bringen und hechte hinterher. Glücklicherweise hat ein Ast den Unterhosen-Höhenflug gestoppt. Ich bin erleichtert und male mir auf dem Weg zum Zelt zurück die schlimmsten Geschichten aus. Wieder auf meinem Hocker stelle ich fest, dass das Honigbrot beleidigt ins Gras gebissen hat. Egal, meine Ruhe ist wieder hergestellt. Statt dessen probiere ich den Tee und entschließe mich wohlweislich, dass ich heute keinen Tee brauche. Er landet hinter mir im Grass. Ich glaube, ich bin jetzt bereit mein Fahrrad abzuholen und mir Trier anzusehen …

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So. Ein paar Eindrücke aus Trier. Und das hier wollte ich euch auch nicht vorenthalten:

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Das ist doch mal was. Wenn ich nur das Xena Kostüm hätte. Ich wär der Knaller!

Morgen geht es nach Frankreich!

Ach, eins noch. Eigentlich nicht mein Humor, aber was soll’s. Auf dem Weg zum Campingplatz gehe ich an einem “Eros-Center” vorbei. Mit Garage. Tiefgarage. Mehr brauche ich ja wohl nicht dazu zu sagen. Na denn, gute Nacht…

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Tag 15. Mülheim – Trier

Heute morgen mit einem netten Holländer gesprochen. Das übliche Gespräch, zunächst. Von wo, wohin, ganz allein?! Ich erläutere alles geduldig. “Madrid”, sagt er. “Das ist…” – er sucht nach dem richtigen Wort – “stur”. Ich frage mich insgeheim, ob er tatsächlich das richtige Wort gefunden hat. Ich nicke. Stur also. Das ist auch ok. Er würde auch gerne mal einen Monat alleine unterwegs sein, aber schon nach zwei Wochen würde er seine Freunde und Familie vermissen. Ja, Bruder um Geiste, denke ich und bin einmal mehr froh, dass ich mein Handy hab.

Auf dem Weg an der Mosel lang nach Trier suggeriert mir mein Navi, dass ich in der Mosel fahre. Rückwärts. Auch gut, denke ich, als es mich kurz danach in die Weinreben sendet. “I have many skills”, würde Xena sagen.

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Tja, ansonsten ist noch nicht viel passiert. Ich mache Pause, freue mich über einen heute morgen gekauften Amerikaner und hoffe, das auf dem Campingplatz in Trier Klopapier inklusive ist.

Angekommen, Fahrrad abgegeben und das Zelt aufgebaut. Wäsche gewaschen. Die trocknet bestimmt nur, aber egal. Ab zur Dusche. Ein super Chip System. 3 min 1 Euro. Nicht schlecht. Ich tanke den Chip mit sagenhaften 4 Euro auf. Bis das Wasser warm ist sind schon gefühlte 27 Euro weg… Ich hüpfe und springe – bloß schnell duschen. Fast schon außer Atem vom Beeilen checke ich mein Chip Guthaben. Wie, ich hab bloß für siebzig Cent geduscht?! Das soll mir mal einer nachmachen. Was mach ich jetzt mit den restlichen 3,30? Aber, welch Glückes Geschick, das nicht verduschte Guthaben wird bei der Gesamtabrechnung gegengerechnet. Wunderbares D(e)u(t)schland.

Ich beginne zu kochen. Diesmal mal was richtiges.

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Ich finde, das sieht ganz wunderbar aus. Ich weiß nur nicht, wer das alles essen soll. Zwischendurch füttere ich eine Amsel (oder ist es jedesmal eine andere? Man weiß das ja nicht so genau …) mit meiner letzten Vollkornbrotscheibe, während die Birke hinter mir Zielübungen direkt in meinen Topf macht. Mittlerweile kommt die Amsel nicht mehr. Vermutlich liegt sie irgendwo unbeweglich ob der Tonnenlast von (Bio) Hafer und Roggen Brot in ihrem Bauch. Ja, das mussten wir alle lernen. Ich esse derweil schonmal das Brötchen von heute morgen, was eigentlich nur eine Brötchenfassade ist, denn von innen ist es komplett hohl. Hohe Bäckerkunst, vermute ich.
Morgen schaue ich mir Trier an, hole mein Fahrrad wieder ab und schlafe endlich mal aus. In umgekehrter Reihenfolge natürlich.

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