Tag 6. Paderborn – Warstein

Der Abend, die Nacht, der Morgen.

Ich komme an. Keiner da. Klingel mal hier, an der “Gaststätte”, mal da an, ja was eigentlich? Die Hintertür oder die Vordertür? Ich kann es nicht sagen. Ein klassisches “Ding Dong”, was heutzutage eigentlich keiner mehr hat, ertönt. Ich gucke mich um. Der Campingplatzbesitzer macht groß in, äh, Müll? Das kann man alles noch gebrauchen, würde der vielleicht sagen. Rüdiger Nehberg würde glatt noch ein Haus mit Balkon UND eine hydraulische Gesenkbiegepresse daraus basteln. Und was Chuck Norris daraus machen würde, brauche ich gar nicht zu erwähnen. Ich allerdings sehe nur Bruch. Das melodische Ding Dong zieht keine Konsequenzen nach sich, was ich enttäuscht feststellen muss. Urplötzlich quietscht ein Kleinkind mit Fahrrad und Helm an mir vorbei in den hinteren Teil des Hofes, zu einer Tür, die tatsächlich offen steht. Eine Frau kommt heraus und ich gehe mutig entschlossen auf sie zu. Es stellt sich heraus, dass sie sich um den Platz kümmert, ich 6,50 zahlen muss und mich hinstellen kann, wo ich will. Nein, an den See leider nicht. Nein, baden darf man da drin auch nicht. Verrückt auf was für Ideen ich komme, bei einem Campingplatz mit dem malerischen Namen “Campingplatz am Waldsee”.

Ich schmiege mich mit meinem Zelt an einen unbesetzten Campinganhänger und gehe zu den Sanitäranlagen. Die Duschen brauchen Duschmarken. Als ich die nette Dame von vorhin darauf anspreche, sagt sie fröhlich “Ja, zwei Duschmarken gibt’s zur Begrüßung!” Aha. Pause. Ich überlege schon, ob ich mich jetzt vorsichtshalber nochmal vorstellen sollte, da sagt sie “die bringe ich Ihnen gleich vorbei.” Supi.

Zelt aufgebaut, ein schnelles drei-Gänge-Menü gezaubert und jetzt, ja, duschen wär schon was. Weit und breit keine nette Dame und keine Duschmarken. Ich weiß, ich hatte das alles schon erwähnt, aber es hängt mir immernoch nach…

Im Laufe des abends wird es immer dunkler (ich weiß, das ist der natürliche Lauf der Dinge, wenn es später wird – ich meine allerdings die Wetterlage.). Dann legt ein Gewitter los, das einem glatte Herz-Rhythmus Störungen bringen könnte. Glücklicherweise bin ich ja Bass-erprobt :-) . Was mich allerdings nervös macht, ist der Regen. Alles zusammen gepackt, ins Zelt verkrochen und ängstlich abgewartet. Ja, in der Hinsicht bin ich ein Angsthase und eine Memme. “Weine nicht, wenn der Regen fällt” als Endlosschleife im Ohr, fange ich schließlich doch an zu heulen, als ich sehe, dass das Außenzelt an diversen Stellen auf dem Innenzelt liegt. Erprobte Camper wissen, was das bedeutet. Das Gewitter ist unentschlossen in welche Richtung es weiter ziehen soll und dreht einfach lustige kreise rund um den Campingplatz. Geh weg geh weg geh weg, denke ich und habe dann auch irgendwann Erfolg damit. Der Regen möchte noch etwas bleiben …

In der Nacht träume ich von abgeschlossenen Toiletten, sturzbachartigen Regenfällen und geplatzten LKW Reifen. Den sinnvollen Zusammenhang dazu habe ich glücklicherweise vergessen.

Der Morgen graut, und mir vor dem Aufstehen. Hilft ja nichts, raus in die nasskalte Wirklichkeit. Ich kann eh nicht mehr länger liegen. Ich gucke raus und sehe die Sonne. Hallelujah. Neuer Tag, neues Glück. Außerdem habe ich gestern eine Rolle Küchenrolle aus einem Abstellraum geklaut und freue mich quasi diebisch darüber. Es gibt nämlich kein Klopapier. Frühstück schnell abgehandelt, alles zusammen packen und dann fange ich an aufzuladen. In dem Moment kommt eine Frau vorbei und fragt (ganz ahnungslos, ha!) wo es denn hingehe. “Madrid”, sage ich cool und grinse. “NEIN! Dass es sowas überhaupt gibt!” ruft sie laut. Leichte Irritation auf meiner Seite. “MADRID! Wie weit ist denn das?” Gerade als ich antworten will, ruft sie wieder “Dass es das gibt!! Dass das überhaupt geht! Mit dem ganzen Gepäck?!” Ich verzichte darauf ihr zu sagen, dass das nur die Hälfte ist. Ich lächle sie unverbindlich an und frage mich, ob sie denn nun nicht mal Zähne putzen will, oder was sie sonst so vorhatte. Sie lächelt zurück und ich wage den Versuch zu sagen, dass ich ja drei Monate Zeit habe. Daraus wird nichts, denn als ich den Mund entschlossen öffne, flötet sie ein “na dann noch viel Spaß!” Und geht. Na, danke für’s Gespräch würde ich sagen.

Also flugs alles aufgeladen und los geht es. Nach zwei Minuten fahren fühle ich mich wie der King. Das ändere sich schnell am ersten Berg. Erstaunt stelle ich fest, dass ich mit der Lunge pfeifen kann. Wunderliches Ding, so eine Lunge. Ein fröhliches Liedchen pfeifend, rausche ich den Berg hoch und rolle entspannt an der anderen Seite wieder runter. Oder so ähnlich. Zeit für eine Pause. Es ist tatsächlich sehr warm, aber natürlich auch windig. Ich finde eine Bank, kein Mensch weit und breit. Ich packe und ziehe alles aus was geht und lege mich auf die Bank. Alle halbe Stunde kommt ein vorbei. Zielsicher suche ich mir diese halbe Stunde aus, um hinter der Bank auf Klo zu gehen. Naja, hatten die wenigstens was zu lachen :-)

Ich fahre durch Warstein. Und campe in der Nähe.

Jaja, das Bier
Kommt von hier.
Aber auf keinen Fall,
Hab ich nen Knall
Und stoppe hier
Für das Bier.
Denn, was ich auch nicht dachte,
Aber, seit Anke mich dazu brachte,
Trink ich lieber Wein
Und das mit dem Bier, lass ich sein

Gute Nacht!

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10 Gedanken zu „Tag 6. Paderborn – Warstein

  1. Habe wieder Tränen gelacht und wollte dir ein paar aufmunternde Worte sagen, deshalb der Anruf. Nix Ernstes….aber du steckst wahrscheinlich unter der Dusche oder suchst wieder die Frau mit den Duschmarken….oder ist sprechen nicht erlaubt? Ach Quatsch…du sitzt bestimmt auf dem Rad…na wie auch immer…mach weiter so!!! Kopf hoch, wenn er mal hängt und flux ein paar Zeilen geschrieben…es ist wieder sehr erheiternd. Schlaf gut liebe Menina

  2. Der erste Regen ist überstanden, wie gut ist das denn?!? Hervorragend. Auch ich vermisse immer noch das Bild von dir auf dem Winzistuhl, aber es sei dir verziehen, du fährst ja mit dem Fahrrad nach MADRID! Das sowas noch gibt!! Was meinte sie? Das Fahrrad? oder Menschen, die Fahrrad fahren ohne elektrischen Antrieb? oder Reisende im Allgemeinen? allein Reisende vielleicht? Man weiß es nicht…
    Genieß noch deine Frischgeduschtheit und schlaf später gut.

    PS.: Du wirst nach der Veröffentlichung der gebundenen Ausgabe deines Blogs ein reicher Mensch sein, da bin ich mir ganz sicher.

  3. Muahahaaaa! Ich wusste, in dir steckt ein Poet! Jep, Anke hat dir eine neue Welt eröffnet und ich hab Tränen gelacht!
    Und das Wort Gesenk….Blabla (ich kann mich nicht mal erinnern!) hab ich heute zum ersten Mal gelesen. Du läufst ja zu Hochform auf! Trotz aller Widrigkeiten, Respekt Hase ich bin mächtig stolz!

  4. Hallo Menina, eigentlich wollte ich dich gestern fragen, was eine Gelenkbiegepresse ist, nachdem ich mich halb kaputt gelacht habe. Dann dachte ich aber, ich mach den Witz kaputt, weil du dir das Wort natürlich ausgedacht hast. Heute hab ich Kalle den blockteil vorgelesen und dachte, er lacht sich auch halb kaputt über die hydraulische Gelenkbiegepresse, nix da, kuckt mich an als wäre ich hüttendoof, referiert eine halbe Stunde mit glänzenden Augen über die hydraulische u.s.w. , fing dabei an zu sabbern (wollte er schon immer haben!!) und bewies mir dann per Google, dass es dieses Teil tatsächlich gibt!
    Schreib weiter so schön! Und bleib gesund!
    Thekla

    1. Hallo Thekla. Ja die HGP (ich kürz mal ab) gibt es in der Tat. Ein Quell unerschöpflicher Mysterien :-) viele Grüße auch an Kalle!

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